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Etappe 1 München - Innsbruck 185 km

Veröffentlicht am 29.10.2011

 

Karte: Weg von München bis Innsbruck

 

Fotos Etappe 1: München Innsbruck

 

1. Tag             München bis Schäftlarn                              26 km

 

Ich tauche aus der U-Bahn auf, gehe über den Marienplatz. Es ist spät geworden, Packarithmetik hatte mich aufgehalten, wie bekomme ich mein Gepäck in den roten Wanderrucksack?

 

Beim alten Rathaus sitzt ein Bettler am Straßenrand, spielt auf dem Akkordeon „Besa me mucho“, ungeübt und falsch, aber romantisch. Ich erreiche das Deutsche Museum, biege auf die Wanderwege entlang der Isar ab, auf dem östlichen Ufer auf asphaltierten Wegen langsam die Stadt hinter mir lassend. Ich unterquere die vielen Brücken, Cornelius-, Reichenbach-, Wittelsbacher-, die Braunauer Eisenbahnbrücke, den brausenden Verkehr des Mittleren Ringes auf der Brudermühlbrücke. Der Isar-ausbau wurde rückgängig gemacht, der Fluss strömt wieder frei durch Kiesbetten, nackte Sonnenanbeter zeigen beim Flaucher braungebrannte Haut, auf dem breiten Maria-Klausen-Steg überquere ich die Isar, der Weg führt am Hinterbrühler See vorbei, vor dem Monumentaldenkmal des Flößers über den Isarkanal weiter am Wasser entlang, bis sich die Stahlkonstruktion der Großhesseloher Eisenbahnbrücke über das Isartal schwingt. Recht steil auf Asphaltstraße und über Treppen erreiche ich das Isarhochufer, ein graffitiverschmierter Tunnel führt unter der Eisenbahnlinie hindurch, im Biergarten der Waldwirtschaft stärke ich mich mit einer Brotzeit und einer Russenmaß. Hinter dem Parkplatz wieder einsamer Weg durch lichten Wald an der Kante des Steilufers entlang, links blinkt gelegentlich der Fluss herauf.

 

Bei Höllriegelskreuth überquere ich die vielbefahrene Asphaltstraße, passiere den Biergarten des Brückenwirtes, die Stauanlagen eines Kraftwerkes, vor einer Kiesinsel steht der Georgenstein, ein einsamer Felsbrocken im Flussbett. Auf der Isar ziehen Flöße mit Ausflüglern vorbei, organisierte Fröhlichkeit mit Blasmusik. Der Weg verlässt das Flussufer, in stetem Auf und Ab durchlaufe ich Auwälder, auf den gekiesten, breiten Wanderwegen geht es sich unangenehm, langsam beginnen die Füße zu schmerzen. Am Ende des Wanderweges eine Asphaltstraße, zwei Weg-weiser zum Kloster Schäftlarn, einer die Straße hinauf, einer in die Gegenrichtung bergab. Ich wähle den Weg bergab, der Zwiebelturm und die massigen Gebäude des Klosters kommen in Sicht. Ich trete in die Barockkirche ein, die leider renoviert wird, alles ist eingerüstet, die Fresken kaum sichtbar, und verweile einen Augenblick.

 

Ein Rundgang durch den Prälatengarten, Forellen im Teich, eine Fontäne sprudelt frisches Wasser, Rosen blühen rot.

 

Ich steige den Stufenweg nach Schäftlarn hinauf, vor einer mächtigen Buche ein Marienbildnis, die blau gekleidete Jungfrau beschützt das Kloster und braune, zwergenhafte Mönche mit ihrem Mantel, am Wegende ein Hotel.

 

 

2. Tag             Schäftlarn bis Königsdorf                           27 km

 

Ich steige von Ebenhausen wieder hinunter zum Kloster Schäftlarn, möchte durch den Wald, in der Nähe der Isar bleibend, über Icking nach Wolfratshausen. Das Wetter hat gewechselt, die schwüle Hitze von gestern ist kühlem Dauerregen gewichen. Ich bin zu träge, im Regen auf der Karte den Weg zu kontrollieren, finde einen Wegweiser nach Icking und folge diesem Weg durch einsamen, dichten Wald, immer leicht bergauf gehend. Der Name Wasserweg bekommt hier eine neue Bedeutung, der Weg hat sich in einen Bach verwandelt, nur ein paar Amseln begleiten mich, rascheln im feuchten Laub, Tauben rufen dumpf im Forst, dicke Weinbergschnecken kriechen durch pitschnasses Gras.

 

Der Wald öffnet sich, ich gehe an Maisfeldern entlang und stehe an einer belebten Asphaltstraße. Ich muss mich verlaufen haben. Ein zu später Blick auf die Karte zeigt mir, dass ich direkt nach Norden gegangen bin, nur eineinhalb Kilometer von Ebenhausen entfernt an der Hauptstraße nach Icking stehe.

 

Ich gehe Richtung Icking, biege bei Holzen von der Hauptstraße ab, wandere durch eine Allee alter Kastanien, durch Wiesen, Kühe glotzen mich an, rechts taucht der Zwiebelkirchturm von Icking auf.

 

Das Wetter hat sich langsam gebessert, ich folge der Hauptstraße, biege in einen Seitenweg mit dem lustigen Namen „Spatzenloh“ ab, und gehe auf zunächst breitem Weg, dann schmalem Pfad durch Wald, immer in der Nähe der S-Bahn-Geleise hinunter nach Wolfratshausen. Links öffnen sich atemberaubende Ausblicke auf die Pupplinger Au mit der Alpenkulisse dahinter. Bei einer Abzweigung nehme ich die Karte zu Hilfe, ein entgegenkommender Wanderer fragt, wohin? Ich antworte, nach Wolfratshausen, Bad Tölz. Und weiter nach Venedig? fragt er. Nein, antworte ich, Innsbruck, Bozen, Verona und dann vielleicht Bologna, Florenz, Assisi, Rom.

 

Der Pfad führt über Treppen steil hinab, erreicht in Weidach eine Asphaltstraße, geht an den Floßländen vorbei, wo die Touristenflöße nach München starten, über eine Brücke über die Loisach, am anderen Flussufer der Weg nach Wolfratshausen.

 

Langweilige Straße durch die Stadt, von der Loisachbrücke ein schönes Panorama. Ich biege bei der ersten Gelegenheit hinter den alten S-Bahn-Gleisen links ab, ein Wegweiser zum „Märchenwald“ leitet mich durch öde Vorstadt bis zum Sportzentrum, dann rechts abbiegend weiter, bis ich den Loisach-Isar-Kanal überschreite. Am Kanalufer muss ich nach links, über ein Wehr strömt tosend weißschäumend Wasser, ein Wegweiser kündet Bad Tölz an. Der Pfad am Hochufer der Isar führt durch Auwälder, auf Wiesen bimmelt Weidevieh, Radfahrer überholen mich, kommen entgegen.

 

Langsam gehe ich durch Geretsried zum Isardamm, verlasse die Straße, steige hinab zu den Isarauen. Der Weg ist schlecht gekennzeichnet, schnell habe ich die gelbe Markierungsraute verloren und stehe an den Kiesbänken der Isar, ein Vogel-schutzgebiet sperrt den Weg. Ich kämpfe mich durch Weiden- und Brombeer-gestrüpp zurück, finde den Pfad wieder und folge ihm bis zum Parkplatz Einöd, biege rechts ab und gehe noch bis Königsdorf, suche ein Hotel.

 

 

3. Tag             Königsdorf bis Bad Tölz                             20,5 km

   

Von Königsdorf gehe ich über Berg und Rothmühle, die Hauptstraße vermeidend, zur Isar. Ich muss nun durch dichten Wald, ein Bach mit rostrotem Wasser wird auf einer Holzbrücke überquert, der Weg verwandelt sich in eine Straße aus lockerem Kies, unangenehm und schwierig zu gehen, an seinem Rand Orchideen, Knaben-kraut und Fliegenragwurz und Türkenbundlilien, ein rotes Reh springt kurz vor mir auf und flüchtet.

 

Der Weg verlässt das Isarufer, führt durch nassen Hochwald, am Denkmal für eine hier 1975 verunglückte Wandergruppe vorbei, nach Lochen, Rimslrain. Ein Bussard fliegt über mir, fühlt sich gestört, kreischt mir einen zornig klingenden Ruf zu.

 

Ein Wegweiser beschreibt den weiteren Weg, 4 km bis zum Isarstausee durch schattigen Naturpfad, 4,5 km über Teersträßchen mit guter Aussicht. Schattige Naturpfade hatte ich genug gesehen, meine Hose war bis zu den Knien nass davon, ich gehe also die Teersträßchen über Fiecht, Leitzing und Nodern.

 

Die Berge kommen näher, auf einer Holzbank raste ich, trinke Tee, zwei junge Frauen in Schlechtwetterausrüstung, die Rucksäcke in blauen Regenschutz gehüllt, überholen mich, grüßen.

 

Ich biege links ab, erreiche die Hauptstraße nach Bad Tölz, gehe zum Isarstausee hinunter und überquere die Isar auf einem Steg bei der Staumauer, steige auf den Kalvarienberg St. Leonhardi.

 

Der kurfürstliche Salz- und Zollbeamte Friedrich Nockher stellte hier 1711 ein Kreuz auf, stiftete sieben Wegkapellen dazu und errichtete die Heilige Stiege. Sie stand ursprünglich unter freiem Himmel, später überbaute man sie und setzte die malerische Hauptkirche davor. Vom Ölberg führt der Anstieg an den fünf Kreuz-wegkapellen, dem Golgathahügel mit der Kerkerkapelle und der Kreuzigungsgruppe zur Kreuzkirche, daneben die Leonhardikapelle, Ziel der alljährlichen Wallfahrt im November.

 

Ich besichtige die Kirchen, steige den Kreuzweg in umgekehrter Richtung abwärts. Unter mir liegt Bad Tölz, steil geht es den Hang hinunter in die Altstadt.

 

 

4. Tag             Bad Tölz bis Benediktenwand                    21 km                        

 

Ich verlasse Bad Tölz über die Isarbrücke, gehe den Wanderweg am Isarufer, der bald die belebte Straße verlässt, langsam in die Berge hinein. Die Benediktenwand, deren oberer Teil von Wolken abgeschnitten nicht sichtbar ist, türmt sich vor mir auf, ich überhole einzelne Wanderer, Radfahrer hasten an mir vorbei.

 

In Arzbach biege ich ab, verlasse die Isar, ein Gasthof, das Bräustüberl, lädt zur Brotzeit ein. Die Kellnerin, eine hübsche junge Frau, die blonden Haare hochgesteckt, in hellblauem Kleid mit weißer Schürze, lächelt mich an. Ich bestelle einen Brotzeitteller und einen „Russen“.

 

Eine Asphaltstraße führt mich in die Berge, wird zu einem gekiesten Wirtschafts-weg. Der Arzbach rauscht in engem Tal, strömt tosend zur Isar hinab. Ich gehe durch dunklen Wald, eine Kuhherde verfolgt mich heftig bimmelnd ein paar Meter, bleibt zurück, vor mir die Kalkmauer der Probstenwand, ich erreiche die Tiefental-Alm.

 

Ein mühsamer Aufstieg durch lehmiges, steiles und steiniges Gelände auf kaum sichtbarem Pfad. Vom endlich erreichten Sattel blicke ich weit hinein ins Alpenvorland, steige hinab zur Tutzinger Hütte. Der Hüttenwirt blickt mich zweifelnd an, wir sind voll belegt, meint er, aber ich kann dich so spät ja nicht wegschicken. Ich bekomme in einem abgelegenen Gebäude, „Alpenvereinsjugend Selbstversorger“, einen Lagerplatz zugewiesen.

 

In der Hütte feiert am Abend ein Kölner Karnevalsverein die „Maschkara Sonnen-wende“, aufgesetzte, trunkene rheinische Fröhlichkeit mit lauter Musik, sogar ein Fass Kölsch haben sie mitgebracht.

 

Ich gehe früh schlafen, höre in meiner abgelegenen Unterkunft nichts von der Musik, dem Lachen und dem Lärm der Feiernden.

 

 

5. Tag             Benediktenwand bis Vorderriß                  19 km

 

Von der Tutzinger Hütte gehe ich, unter der von der Morgensonne angestrahlten Benediktenwand, steil bergauf zur Glaswandscharte, überhole einige Bergsteiger- und Wandergruppen. Rechts unten sehe ich weit zum Starnberger See hinunter, kann am Horizont den Dunst der Stadt München erkennen.

 

Ich steige von der Scharte über steiles Gelände und große, runde Steinblöcke ab, ein Bergläufer ohne Gepäck hastet vorbei, springt elegant federnd von Stein zu Stein, ich komme mir, mich mit meinem Rucksack auf dem Rücken langsam abwärts tastend, plump vor. Durch dichten Buchenwald über Forststraßen geht es zur Jachenau. Wegweiser warnen vor Lebensgefahr durch Forstarbeiten, leiten mich auf Umwege, ich gehe am Glasbach hinunter, am Wasserfall vorbei, erreiche die Lainlalm, breiten Wanderweg, hunderte Autotouristen auf dem Weg vom Parkplatz in der Jachenau zum Wasserfall.

 

Kiesstraße durch Wald, immer am Bach entlang, neben mir raschelt es im Laub, eine Schlange, eine dicke Ringelnatter, windet ihren schwarzen Schuppenleib um Baumwurzeln, verschwindet in einer Erdhöhle. Eine Holzbrücke überspannt den Bach, ich erreiche die Jachenau, setze mich zur Mittagspause in ein Wirtshaus.

 

Urplötzlich verdunkelt sich der Himmel, Platzregen geht nieder, ein paar Donner-schläge, das Gewitter ist genau so schnell wieder vorbei, wie es gekommen ist.

 

Von der Jachenau gehe ich am Wilfeltsgraben entlang, stärke mich in der Lainer Alm mit einer Radlermaß, stehe auf dem Rißsattel. Vor mir die Kette des Karwendelgebirges, graue Kalkmauern, die unüberwindlich erscheinen.

 

In endlosen Serpentinen gehe ich einen schmalen Pfad hinunter, von den langen Abstiegen schmerzen meine Knöchel, zwei Gruppen überholen mich, wir wechseln kurze Worte miteinander.

 

Vorderriß ist eine kleine Siedlung, zum Übernachten gibt es nur das Wirtshaus „Zur Post“, der Himmel hat sich wieder zugezogen, ferner Donner erklingt. Müde erreiche ich, vor den ersten Regentropfen, das Hotel.

 

Ich treffe die beiden Gruppen wieder, eine junge Frau aus Leipzig und ein Paar, dass den „Traumpfad“ nach Venedig gehen will, wir essen zusammen.

 

 

6. Tag             Vorderriß bis Karwendelhaus                    26 km            

 

Ich frühstücke mit den Wanderern von gestern, die mit dem Bus fahren und dann über die Eng bzw. das Johannestal zum Karwendelhaus gehen wollen.

 

Ich möchte alles zu Fuß machen, laufe die eintönige Asphaltstraße entlang. Das Wetter ist trüb, aber trocken, neben der Straße unzählige Alpenblumen, die man nur als Wanderer sieht. Es fahren wenige Autos, bei der Grenzbrücke verlasse ich Bayern, mache den alten Fußgängerspaß, stehe mit einem Bein in Deutschland, dem anderen in Österreich. Ein Stein markiert die Tiroler Landesgrenze.

 

Der Bus überholt mich, hält an, ein freundlich lachender Fahrer fragt, ob ich nicht einsteigen möchte? Ich widerstehe der Versuchung, lasse ihn weiterfahren und wandere neben der Straße bis zur Abzweigung ins Johannestal.

 

Die Wolken hängen in den Berghängen, der Johannesbach tobt in einer tiefen Klamm. Auf bequemer Forststraße gehe ich bis zum Kleinen Ahornboden, urplötzlich fängt es an zu gießen, wie ein tropischer Regenschauer. Ich stelle mich kurz unter, es ist keine Besserung in Sicht, wenn es im Karwendel so stark regnet, geht das meist über mehrere Stunden.

 

Ich steige durch das Unterfilztal zum Hochalmsattel hinauf, der Pfad hat sich in einen Sturzbach verwandelt, ich bin in kurzer Zeit vollkommen durchnässt, selbst die Wanderstiefel halten diesem Wasseransturm nicht stand.

 

Kühe stehen reglos im Regen, es blitzt, zwei Donnerschläge durchzittern die Luft, ich steige hinab zum Karwendelhaus, der Hüttenwirt schickt mich sofort in den Trockenraum, der angenehm geheizt ist und in dem ich mich schnell umziehe, die Stiefel und Socken auf vorgeheizte Halter stecke, Anorak, Hose und Hemd auf Bügel.

 

Ich reserviere mein Lager hoch oben im Dachfirst, bestelle im Restaurant ein Weißbier, von den Wanderern von Gestern noch keine Spur. Später treffen sie ein, wir schwätzen den ganzen Abend miteinander, draußen strömt der Regen ungebrochen nieder.

 

Ich schlafe unruhig, höre die Tropfen auf den Blechrand des Dachfensters auftreffen, baue die Geräusche in einen wirren Traum ein. Gegen Morgen wird es ruhig.

 

 

7. Tag             Karwendelhaus bis Scharnitz                     19,5 km

 

Kein Regentropfenlärm am Dachfenster mehr, es schneit dicht und anhaltend, unmöglich über den Schlauchkarsattel zum Hallerangerhaus zu gehen.

 

Ich verabschiede mich von meinen neuen Freunden, die ich wohl nie wieder sehen werde. Sie wollen nach Scharnitz-Schönwiesenhof und dann mit einem Taxi bis zur Kastenalm, ich habe entschieden, nach Scharnitz zu gehen und von dort direkt über die „Frau Hitt“-Scharte nach Innsbruck.

 

Beim Abstieg auf dem Wirtschaftsweg geht der Schnee schnell in Regen über, meine so schön getrockneten Hosen werden wieder nass, bei der Larchert-Alm mache ich Pause, trinke einen Tee und esse eine heiße Leberknödelsuppe. Eine Gruppe älterer Norddeutscher sitzt mit der Wirtin am Tisch, sie wollen kurze Wanderungen machen, zum Karwendelhaus, dann einen Hüttentag, zur Falkenhütte und zur Eng, möchten dafür die ganze Woche verwenden. Über meine Pläne schütteln sie nur den Kopf.

 

Der Regen hat während meiner Rast aufgehört, die Sonne kommt durch, trocknet Hose und Anorak. Von den Bergen stürzt das Wasser in großen Kaskaden ins Tal, die beschneiten Berge leuchten über fetten Wiesen und tropfnassen Tannen. Dompfaffen schwirren, ihr klagendes Pfeifen von sich gebend, durch das Unterholz, zeigen ihr leuchtend rotes Brustgefieder, Meisen klingeln, ständig höre ich den Buchfinkenschlag.

 

Auf einer Bank mache ich Pause, um die brennenden Füße auszuruhen, ein Schmet-terling, schwarz mit roten Streifen an den Flügelrändern, setzt sich auf meine Hose, saugt mit seinem Rüssel Mineralstoffe auf, die der Schweiß zurückgelassen hat.

 

Am späten Nachmittag erreiche ich Scharnitz.

 

  

8. Tag             Scharnitz bis Möslalm                                12 km                                                           

Der Weg führt mich das Isartal hinauf, bei der ersten Gelegenheit überquere ich auf einer breiten Holzbrücke den Fluss und gehe auf Waldwegen zur Greischenklamm, ein Auto des Tiroler Hydrografischen Institutes überholt mich, im Bachbett hält es, Theodoliten werden ausgepackt, um Vermessungen vorzunehmen.

 

Den Weg durch die Klamm spare ich mir, steige stattdessen zur Forststraße hinauf und folge ihren endlosen Windungen an Jagdhäusern vorbei, passiere die Amtsäge, ein Wirtshaus.

 

Ich gehe durch dichte Wälder, die Mauern der Nordkette bauen sich vor mir auf, kahle Kalkwände vor blauem Himmel, einige hohe Wolken darüber.

 

Die Möslalm liegt unter hohen, dunklen Bäumen versteckt im Wald. Eine Gruppe von Almbauern wird von der herbschönen Sennerin bedient, ein Almbauer im Trachtenanzug verabschiedet sich heiser keuchend, als er sich umdreht sehe ich einen künstlichen Luftröhrenausgang an seiner Kehle, den er mit einem blau getüp-felten Tuch trocknet.

 

Die nette Wirtin bedient mich, ich bestelle ein Gulasch. An der Decke ein Kuhgeläut aus Kirchenglocken. Die Wirtin erzählt, es sei das Geläut von Innsbruck und die Möslalm gehöre zu Innsbruck, nicht zu Scharnitz. Sie erzählt mir die Sage der „Frau Hitt“, möchte auch über den Patscherkofl sprechen.

 

Eine kommerziell geführte Wandergruppe trifft ein, lenkt ab, ich nehme keinen Kontakt mit ihnen auf, die Wirtin muss sie bedienen, so erfahre ich die Geschichte des Patscherkofl nicht.

 

Lager im Dachboden, die Kinder der Sennerin schlafen in einer offenen Kammer neben meinem Lager unter dicken, rotkarierten Federbetten, ich rolle meinen Schlafsack aus, verkrieche mich unter Wolldecken.

  

 

9. Tag             Möslalm bis Innsbruck                                14 km                                                         

 

Die kommerziell geführte Gruppe frühstückt, einziger Gesprächsstoff ist, wer wann wie laut geschnarcht hat. Der Reiseleiter regt sich über Bauern, Gülle und Viehwirtschaft auf. Wenn er Bauer wäre, würde er alles natürlich anbauen, Schweine in Koben im Freiland halten, so die Natur schützen und hochwertige Produkte liefern (und in kürzester Zeit pleite sein).

 

Von der Möslalm steige ich über Waldwege auf die Wände der Nordkette zu, unzählige Kuhherden liegen auf und neben dem Weg. Die Fahrspur verschwindet, geht in einen rot-weiß-rot markierten Steig über, der steil den Berg hinaufführt.

 

Ich verlasse die Zone der Almwiesen, steige durch rutschigen Schotter auf kaum sichtbarem Pfad, vor mir ein großes Rudel Gämsen mit vielen Kitzen. Aus dem Frau-Hitt-Sattel fällt Stein-schlag, der Pfad verläuft aber geschützt unter einem Überhang, die letzen Meter zum Sattel ein versicherter Klettersteig.

 

Oben angekommen blicke ich zurück auf das Karwen-delgebirge und die Wälder des Isartales, voraus liegt tief unter mir die von der Sonne beschienene Stadt Innsbruck.

 

Über einen sehr luftigen, ausgesetzten Steig geht es hinunter zur Höttinger Alm. Ich setze mich zum Karten-studium auf einen Stein, ein Wanderer überholt mich, bleibt stehen, erzählt, dass er aus Berlin sei, die Stadt entsetzlich fände und sich in Tirol Arbeit suchen wolle. Er begleitet mich bis zur Höttinger Alm. Zwei Australier fragen nach dem Weg, mit einer Panoramakarte und halbsportlichen Lederschuhen wollen sie zum Frau-Hitt-Sattel. Ich rate ab, sie lassen sich überzeugen, kommen mit uns, beim Abstieg rutschen sie mehrfach aus, stürzen im Geröll auf dem Pfad.

 

Ich stärke mich mit einer ausgiebigen Brotzeit, gehe dann den Weg und die Schiabfahrt zur Hungerburg hinunter, über die Höhenstraße bis zum Ölberg, an einem Bach entlang zum Inn.

 

Hinter der Innbrücke bin ich direkt in der Innsbrucker Altstadt beim Goldenen Dachl, ich finde ein Hotel.