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Etappe 2 Innsbruck - Bozen 161 km

Veröffentlicht am 31.10.2011

 

Karte: Weg von Innsbruck bis Bozen

 

Fotos Etappe 2: Innsbruck - Bozen

 

10. Tag           Innsbruck bis Axams                                  19,5 km

 

Ich gehe durch die Innsbrucker Altstadt nach Süden auf die Schisprungschanze zu, verirre mich am Stadtausgang im Labyrinth der Autobahnen und Eisenbahnlinien auf dem Weg über Brücken und durch Unterführungen, finde mich auf dem Sticklesteig wieder, der über einen Teil des Jakobsweges nach Vill führt. Ein letzter Blick zurück auf Innsbruck, das vor der grauen Gebirgswand der Nordkette liegt. Hinter Vill unterquere ich beim Übungsgelände des ÖAMTC die Brennerautobahn, gehe durch mit Unkraut zugewachsenes Gelände und stehe an der Sill vor einer Brücke, die wegen Einsturzgefahr gesperrt ist. Es gibt weder flussauf noch flussab in der Nähe eine Möglichkeit den Bach zu queren, also steige ich über die Absperrplanken und gehe hinüber, einen leichten Wanderer wird der Steg schon noch tragen.

 

Bei einem Bauerhof springt mir kläffend ein Hund entgegen, umläuft mich und schnüffelt an meinen Beinen, wird von einer Stimme aus dem Inneren des Hauses zurückgerufen und verschwindet.

 

Ich steige durch einen Waldweg steil nach Muttens hinauf, gehe im heißen Sonnenschein durch das Dorf und finde das Sport- und Freizeitzentrum am Beginn eines Wanderweges, des Panoramasteigs. Ich mache eine ausgiebige Rast, zwei Frauen mittleren Alters am Nebentisch sprechen mich an, hören kopf-schüttelnd von meinen Plänen. Und wo ist das restliche Gepäck? fragen sie, ich sage, dass ich nur diesen Rucksack habe, in dem ich alles Notwendige für die Wan-derung mitführe.

 

Der Panoramaweg führt mich, am Hang über den Dörfern Götzens und Birgitz liegend, nach Axams. Zwischen Götzens und Birgitz treffe ich auf eine mächtige Mauer, wie von einer Burg, die schnurgerade am Weg entlang läuft, wohl 3 km weit. Sie wurde einst 1898 erbaut, um den Geroldsbach von den fruchtbaren Feldern fernzuhalten, vom Bach zerstört und 1908 durch die Kaiserjäger erneut und kräftiger errichtet. Bis heute tut sie ihren Dienst, schützt Wiesen und Felder vor dem Murenkegel aus den Bergen.

 

Die Dörfer haben monumental wirkende Kirchen, alle im gleichen Baustil, mit sehr schlanken, spitzen, schindelgedeckten Türmen, nur die Wallfahrtskirche in Birgitz mit ihrem Zwiebelturm macht eine Ausnahme. In Axams steige ich vom Panorama-weg herunter, finde ein Hotel, auf dem Marktplatz steht eine Tafel mit der Sage vom Axamer Bock.

 

 

11. Tag           Axams bis Westfalenhaus                           26 km

 

Ich gehe auf der Teerstraße von Axams nach Grinzens, es gibt wenig Verkehr, aber es ist schon jetzt, am frühen Morgen, sehr heiß. Eine enge Straße führt weiter bis Neder, reife Kirschen hängen an den Bäumen, festlich gekleidete Menschen gehen in die Kirche.

 

In Neder geht es steil bergab, über einen Waldweg an einer hübschen, rosa Kapelle vorbei nach Sellrain. Aus dem Tal dröhnt das Rauschen der Melach herauf. In Sellrain passiere ich die Kirche, muss auf dem Bürgersteig der Hauptstraße weiterlaufen, es gibt keine Wanderwege. Hunderte von Motorradfahrern überholen mich, füllen das Tal mit ihrem Geknatter. Endlich zweigt in Rauth wieder der Panoramaweg von der Hauptstraße ab, der Zugang ist aber durch einen Elektro-weidezaun verschlossen. Ich steige über zwei Holzgatter, dann steil den Berg hinauf, bis ich den Wanderweg wiederfinde.

 

Mit langen Pausen gehe ich bis Gries im Sellrain, nehme mir Zeit das Matten- und Gebirgsbauernhofpanorama auf der gegenüberliegenden Talseite zu bewundern. Vor der Feuerwehrausfahrt in Gries liegt ein 2 Euro Stück auf dem Weg, ich hebe es auf. In Gries mache ich Mittagspause, esse einen Jägertoast, Schweinsfilet auf geröstetem Brot, mit Käse und Pfifferlingen überbacken.

 

Auf dem Panoramaweg gehe ich weiter, an Juifenau vorbei bis zur Abzweigung nach Lüsens. Die Berge der Stubaier Alpen kommen näher.

 

Ich folge der Straße nach Lüsens für etwa einen Kilometer, steige dann, bei einem kommerziellen Angelteich, einen Forstweg hinauf nach Praxmar. Dort nehme ich den Naturerlebnissteig, viele Tafeln klären über Tier- und Pflanzenwelt auf, am Ende des Weges, vor Lüsens, liegen mal wieder Kühe auf dem Weg, er ist total vermatscht und mit Kuhfladen verschissen, ich versaue mir die Hosen.

 

Von Lüsens steige ich sechs lange Kilometer, zunächst durch Wald und Alpenrosen, neben dem Pfad liegt noch der eisige Rest eines Lawinenabgangs aus dem letzten Winter, dann steil durch Matten zum Westfalenhaus auf, ein Murmeltier kobolzt vor mir über den Weg und verschwindet in seiner Höhle.

 

Ein Schild verkündet, dass der Sommerweg wegen Lebensgefahr gesperrt sei, eine Mure ist abgegangen, ich muss zum Gebirgsbach hinunter und dann über steile Serpentinen zur Unterkunftshütte hinauf, die ich total nassgeschwitzt und erschöpft erreiche.

  

 

12. Tag           Westfalenhaus bis Gries im Sulztal            11 km

 

Ich gehe den Steig vor der Hütte in die Berge hinein und habe mich prompt verlaufen, der Weg würde über den Längentalferner führen, für Eis bin ich nicht ausgerüstet. Es sind zum Glück erst ein paar 100 Meter Umweg, ich kehre um.

 

Der Weg zum 2782 m hohen Winnebachjoch führt hinter dem Westfalenhaus, durch eine Baustelle verdeckt, in Serpentinen steil einen Hang hinauf und über Schnee-felder zum Joch, dem höchsten Punkt meiner Wanderung. Gegenüber liegen die Eisfelder des Bachfallenferner in der Morgensonne. Hinter dem Joch geht es durch riesige Steinhaufen, zum Teil aus groben Blöcken bestehend, der Pfad ist nur durch die weiß-roten Markierungen erkennbar, gefährlich steil hinunter zur Winnebach-seehütte.

 

Ein Birkhuhn drückt sich flach auf den Boden und läuft vor mir den Weg entlang, markiert den sterbenden Schwan, um mich abzulenken, lässt seine gelb-schwarzen Jungen im Gras versteckt allein zurück.

 

In der Seehütte stärke ich mich mit einer Nudelsuppe mit Wurst, die Hütte ist voll mit flämischen Wanderern, die von Längenfeld mit dem Bus zum Parkplatz gefahren wurden und von dort zur Hütte aufgestiegen sind.

 

Gegenüber der Hütte stürzt der Winnebach an der Bachfalle gischtend weiß herab. Zwischen den Bergen hindurch sind graue, zerrissene Wolken in das Tal geströmt, es beginnt leicht zu regnen. Ich gehe den Weg, der sich am Berghang entlang zieht, hinunter nach Gries. Links wird der Blick in das Sulztal bis zum Schrankogel frei, Nebel zieht an den Bergen entlang, ich werde dort morgen im schlechten Wetter nicht gehen können, sondern über Längenfeld durch das Ötztal an der Ache entlang nach Sölden wandern müssen, vor mir schroffe Berge über grünen Lärchenwäldern.

 

In Winnebach erreiche ich eine schmale Asphaltstraße, gehe sie hinunter, die Serpentinen auswandernd. Ich erreiche einen Gasthof in Gries, direkt gegenüber der hübschen Kirche, kaum bin ich eingetreten, beginnt es in Strömen zu regnen, ich werde hier übernachten.

 

  

13. Tag           Gries bis Sölden                                           19,5 km

 

Im Regen geht es los, über eine Holzbrücke auf das andere Ufer des tosenden Fischbaches und einen Forstweg entlang durch Tannenwald. Ein Bagger steht auf dem Weg, versperrt ihn in seiner ganzen Breite, repariert das vom Wasser weggespülte Ufer. Der Baggerfahrer sieht mich und fährt sein Monstrum 50 m vor, um mich passieren zu lassen.

 

Bei einem Wegweiser biege ich ab, links in die Berge hinein nach Brand, erreiche einen ausgesetzten, aber gut gesicherten Steig, der unter überhängenden Felsen hindurchführt und bei Burgstein eine Asphaltstraße erreicht. Dort treffe ich ein sächsisch sprechendes Pärchen in ihrem Auto mit Plauener Nummernschild, die mir schon beim Frühstück im Hotel aufgefallen waren. Sie fragen, ob ich den ganzen Weg von Gries zu Fuß gekommen sei, glauben mir nicht, als ich die Frage bejahe und ergänze, dass ich schon von München her laufe.

 

Ein Kind auf einer Terrasse winkt mir zu, ruft etwas, ich kann aber wegen der Tropfen, die auf meine Regenpersenning prasseln, nichts verstehen. Ich gehe bis Huben, will dort Mittagspause machen. Ein rustikales, holzverkleidetes Restaurant sieht einladend aus, ich möchte eintreten, aber in der halb offen stehenden Tür schwimmt eine Pfütze aus Erbrochenem, ich eile schnell weiter, kehre im nächsten Hotel ein und esse einen Brotzeitteller, umfangreich mit viel Schinken, Käse und Wurst.

 

Der Weg führt neben der Hauptstraße bis Aschbach, getrennt vom lebhaften Auto-verkehr entlang der Ötztaler Ache, die reißendes Hochwasser führt, dann auf einem Sträßchen in Serpentinen 100 m aufwärts und auf Forst- und Wirtschaftswegen durch Wald und Wiesen recht einsam bis Sölden.

 

Sölden ist ein moderner, auch im Sommer überlaufener Ferienort mit vielen Hotels, Bars und Nachtclubs. Die tief hängenden Wolken ersparen mir den Anblick der mit Liftanlagen verschandelten umliegenden Berge. Ich übernachte in einem Hotel.

 

  

14. Tag           Sölden bis Rabenstein                                 19 km

 

Es nieselt immer noch etwas, ich verzichte aber auf den Regenschutz und gehe durch die Kühtrainschlucht nach Zwieselstein. Ein Schild warnt am Schluchteingang vor Steinschlag, was soll ich tun? Einen Steinschlaghelm aufsetzen, nicht durch die Schlucht gehen, bei herunterfallenden Steinen weglaufen, oder das Schild ignorieren.

 

Ich ignoriere, erreiche Zwieselstein und steige, jetzt auf dem Europäischen Fern-wanderweg Nr. 5 (E5), den langen Weg zum Timmelsjoch noch einmal auf 2509 m Höhe hinauf, um den Alpenhauptkamm endgültig zu passieren. Auf einer Wiese drei Haflinger Pferde, eines trabt auf mich zu, will wohl, weil es von Touristen gefüttert wurde, Zucker. Ich wehre mit meinem Wanderstock ab.

 

An steilen, engen Stellen ist der Weg total durchweicht und mit Kuhfladen verdreckt, Kuhscheißpfad! Von der anderen Talseite dröhnt der Verkehr der Tim-melsjochstraße herüber, besonders die Motorradfahrer, immer in Gruppen zu mehreren Maschinen, lassen beim Herunterschalten in den Kurven die Motoren aufheulen. Bei einer Brücke über den Timmelsbach sehe ich vor mir vier Wanderer, der Pfad kreuzt die Straße, zwei der Wanderer sind die Sachsen aus Plauen, sie rüstig ausschreitend mit Teleskopstöcken, er macht schon einen ziemlich kaputten Eindruck. Wir grüßen uns. Am Timmelsjoch Mittagsrast, es hat aufgehört zu regnen, die anderen beiden Wanderer, ein Ehepaar, sitzen im Windschatten einer Schutzhütte und fotografieren Schneefelder. Sie erzählen, dass sie vor zwanzig Jahren mit ihren Kindern hier gewesen seien und eine Schneeballschlacht im Sommer gemacht hätten, fragen, ob ich auch den E5 gehe. Ja, sage ich, von Zwieselstein bis Verona und dann, vielleicht, weiter bis Bologna, Florenz, Rom.

 

Vom Timmelsjoch geht ein mörderisch steiler Weg hinunter ins Passeier Tal, an einer verfallenen Almhütte vorbei recht steinig bis zur Schönauer Alm. Hier erreiche ich die Timmelsjochstraße wieder, muss ihr einen Kilometer folgen, rechts sehe ich Bankerferner und Schermer- und Schwenzerspitze, bis es eine Kuh- und Schaftrift an Ställen und Bauernhöfen vorbei steil hinuntergeht. Ich erreiche einen Fahrweg, der durch die enge Schlucht, so eng, dass mein GPS-Kilometerzähler keine Satelliten mehr empfängt, nach Rabenstein führt.

 

An einer Felsklippe wird auf Gedenktafeln mehrerer Lawinenopfer gedacht und die seltsame Geschichte von zwei Jägern erzählt, die sich bei einem Sturz gegenseitig totgeschossen haben.

 

Im Gasthaus in Rabenstein erhalte ich Quartier in einem süßen, holzgetäfelten Zimmer. Das Ehepaar, das fotografierend am Timmelsjoch saß, trifft später am Abend ebenfalls ein.

 

  

15. Tag           Rabenstein bis Pfandleralm                        21,5 km         

 

Ich verabschiede mich von der netten Wirtin und gehe auf einem Wirtschaftsweg an der Passer entlang nach Moos. In der Passer werden Hochwasserverbauungen gemacht, der Weg führt immer wieder um Baustellen herum, ich werde von Radfahrern überholt.

 

Die Wirtin hatte erzählt, das der E5 von Moos nach Sankt Leonhard gesperrt sei, ich suche also die Straße nach Platt, gehe am Stieber Wasserfall vorbei, der in einer engen Schlucht in einen Felstobel stürzt, steige im Wald hinauf, treffe auf die Straße nach Bad Sand und Platt und gehe auf schmalem, asphaltiertem, nicht befahrenem Weg durch Platt hindurch, bis ich an die Baustelle einer Brücke komme. Die Bauarbeiter sprechen mich an, fragen nach woher, wohin und in Breiteben könne man gut zu Mittag essen. Ich darf auf dem Baugerüst die Baustelle passieren und kehre in Breiteben zur Rast ein.

 

Von Breiteben geht es in vielen Serpentinen mit Abschneidern nach St. Leonhard hinunter, die in der Karte eingezeichnete Gaststätte „Waldheim“ ist nur noch eine Ruine, in St. Leonhard verlasse ich beim ersten großen Kreisverkehr so schnell wie möglich die Umgehungsstraße, gehe in das Städtchen hinein bis zur Kirche und suche nach Schildern, die mir den E5 weiterzeigen.

 

Bei der Kirche treffe ich das Pärchen vom Timmelsjoch wieder, sie hatten von der Brückenbaustelle gehört und sind von Moos nach St. Leonhard mit dem Bus gefahren. Schummeln gilt nicht, es muss alles zu Fuß gegangen werden.

 

Gemeinsam fragen wir uns zum E5 durch, fotografieren uns gegenseitig und mar-schieren weiter. Die beiden biegen zum Andreas Hofer Museum ab, ich bin nicht so interessiert an Tiroler Freiheitskämpfern von 1810 und laufe durch Wiesen, dichten Wald bis zu einer Jausenstation, erfrische mich mit Cola/Mineralwassergemisch und steige dann steil zur Pfandleralm hinauf. Unterwegs, beim Pfandlerhof, überholen mich zwei Schwaben, ich treffe sie später auf der Hütte wieder, geschwätzige Besserwisser, die in Gewaltmärschen heute von Zwieselstein gekommen sind, im Gebirge also fast 40 km gelaufen sind.

 

Der Weg führt sehr steil hinauf, ist steinig, ich gehe ein-, zweimal die Serpentinen des Wirtschaftsweges aus, um mich nicht total zu verausgaben. Es kommen viele, zum Teil recht alte und recht angeheiterte Leute, die dort oben Brotzeit gemacht hatten, mit geröteten Gesichtern von der Pfandleralm herunter.

 

Auf der Hütte sind dann nur noch die beiden Schwaben und ich, die Hütte macht einen unfreundlichen Eindruck, das Essen schmeckt nicht.

  

 

16. Tag           Pfandleralm bis Hirzerhütte                       6,5 km                                 

 

Ich gehe von der Pfandleralm über eine Wiese an der Mähderhütte vorbei, in der Andreas Hofer 1810 von den Franzosen gefangen genommen wurde, dann in Serpentinen sehr steil im Wald hinauf bis zur Abzweigung des Pfades zur Riffelspitze. Die beiden Schwaben überholen mich schon im Wald, sie wollen in einem Stück durchgehen bis zur Meraner Hütte, ich lasse es langsamer angehen, für mich werden das zwei Tagestouren.

 

Ich raste auf einer Holz-bank, zwei junge Mädchen mit leichtem Tagesgepäck und in Shorts, die nackten, braungebrannten langen Beine stecken in Bergschuhen, gehen an mir vorbei, steigen zur Riffelspitze auf. In der Ferne sind die Schneefelder des Ortler zu sehen.

 

Der Weg führt nun in leichtem Auf und Ab ziemlich ausgesetzt unter Prantachkogel und Kreuzjoch zur Mahdalm und Hintereggalm. Tagesausflügler, die von der Seilbahnstation kommen, begegnen mir, vom vielen „Grüß Gott“ ist mir der Mund schon fusselig. Viele haben Hunde dabei, ich weiß nicht, ob man den armen Vierbeinern einen Gefallen tut, wenn man sie mit in die Berge schleppt, wo sie abseits des Weges im steilen Gelände nicht laufen können.

 

Ich erreiche die Hirzerhütte, die von den Seilbahntouristen zur Jausen genutzt wird, trinke eine Radlermaß und esse ein Schweinenackensteak, mache einen halben Tag Pause und erhole mich etwas. Am späten Nachmittag kommen meine Wander-bekanntschaften vom Rabenstein zur Hütte herauf, sie sind von St. Leonhard direkt aufgestiegen. Nachdem alle Tagesgäste fort sind, bleiben nur wir und drei Memminger, die den Hirzer bestiegen hatten, auf der Hütte. Wir machen Brotzeit zum Abend, plauschen bei einem halben Roten mit der Wirtin.

 

Es zieht immer mehr zu, über dem Hirzer quellen dicke Wolken auf. Nachts kommt das Gewitter, es blitzt und donnert pausenlos, ein kräftiger Hagelschauer geht nieder.

 

 

17. Tag           Hirzerhütte bis Meraner Hütte                   8 km

 

Vom Gewitter der Nacht liegen Hagelreste auf den Bergen, die wie überzuckert aussehen, der Weg ist nass und schmierig. Ich steige durch das Hirzerkar auf, zunächst durch Matten und Alpenrosen, dann über Schotter. Ein Bergsteiger in leuchtend grellgrüner Neonjacke überholt mich kurz vor dem Einstieg in die Wand vorm Plattenboden, einer kleinen, tafelbergartigen Scharte zwischen dem Hirzer und der Hönigspitze. Er ist Marathonläufer, trainiert sich in den Bergen Kondition an, seine Frau ist derweil in Bozen beim Einkaufen.

 

In der Wand versteige ich mich, gehe der logischen Linie nach, ohne auf die rot-weißen Markierungen zu achten, muss wieder hinab, als ich vor einer senkrechten Platte ohne Griffe oder Tritte stehe, und steige dann durch die leichte Ver-schneidung, über die der gekennzeichnete Weg führt, schnell zum Plattenboden auf. Der Hirzer hüllt sich in Wolken, eine Besteigung lohnt nicht. Der Marathonläufer geht trotzdem hinauf, ist als ein hellgrüner Fleck unter dem Gipfelkreuz zu sehen.

 

Ich warte auf die Memminger und das Ehepaar, die bald eintreffen. Fotos werden geschossen, es geht in leichter Felskletterei abwärts, in Serpentinen durch einen Schotterhang zu mit großen Steinen durchsetzten Almwiesen, dann sehr mühsam am Hang entlang über einige ausgesetzte Stellen aus nassem, abschüssigem Kalkstein und endlos bis zum Kratzberger See. Der Pfad umrundet einen Bergrücken, Kuh-glocken bimmeln, die Kühe liegen träge und wiederkäuend neben und auf dem Pfad, am Missensteinjoch Touristen, die mit der Seilbahn heraufgefahren sind und ihre Hunde frei laufen lassen und eine Herde Haflinger Pferde. Die Pferde bilden einen Pulk, die Fohlen in der Mitte, greifen die Hunde an, die ihnen zwischen den Beinen herumlaufen. Böse Pferde, schimpfen die Touristen, blöde Hunde.

 

Die Berge, waldlose grüne Hügel, sind mit Lift- und Seilbahnmasten gespickt, die Landschaft ist zerstört. Der Ifinger lässt in den Wolken nur manchmal seinen eindrucksvollen, zweigeteilten Gipfelaufbau sehen, unten im Tal steht die Meraner Hütte. Mit den drei Memmingern setze ich mich vor eine Almwirtschaft, wir bestellen Weißbier und warten auf das Ehepaar, der Himmel zieht zu, vom Ifinger kommen Regenschauer herüber, wir gehen die letzten 500 m zur Hütte.

 

Zum Abendessen sitzen wir dann wieder alle zusammen, trinken den Roten, der praktisch am Tresen aus der Zapfanlage - vier Hähne: Rotwein, Bier, Weißbier, Weißwein - in Krüge abgefüllt wird. Wir verabschieden uns, die Memminger fahren von Meran 2000 mit der Seilbahn ins Tal.

 

Ein Abendgewitter bringt Blitz und Donner, wir sind, mal wieder, die einzigen Gäste in der Hütte.

 

  

18. Tag           Meraner Hütte bis Jenesien            22,5 km

 

Ich habe gestern Abend zuviel getrunken, bin leicht verkatert, als ich losgehe. Kurz hinter der Hütte parkt ein rotes Auto am Wegrand, der dort stehende Wegweiser ist verdreht, zeigt keine eindeutige Richtung an. Ich konsultiere die Karte, entscheide mich für den weiterführenden Wirtschaftsweg, der schön flach geradeaus geht. Nach 3 km bin ich bei der Öttenbacher Alm, das ist eindeutig falsch. Ich gehe zurück, Nebel zieht über die Berge, am Wegrand sitzen zwei Kolkraben, die im unsicheren Licht riesengroß aussehen, auffliegen, als ich mich nähere und mit ihren eigentümlichen Rufen in das Tal hinuntergleiten.

 

Auf dem nun richtigen Weg erreiche ich das Kreuzjoch, links auf dem Berg stehen die „Stoanernen Mandeln“, aus Steinen aufgeschichtete Säulen, eine Gruppe Moun-tain-Biker kämpft sich den Weg herauf.

 

Im Möltener Kaser mache ich Mittagspause, das Ehe-paar ist natürlich schon da, ich habe ja sechs Kilometer Umweg gemacht. Ihr geht es schlecht, sie hat eine Darmgrippe mit Durchfall, unangenehm beim Weitwandern. Ich verabschiede mich, da ich nur bis Jenesien gehe, sie aber von dort gleich mit der Seilbahn nach Bozen, dem Ende ihrer Wanderung, hinunterfahren werden.

 

Der Weg führt durch lichten Lärchenwald und endloses Kuhglockengebimmel, bei Oberleiten übersehe ich schon wieder einen Wegweiser und komme auf eine Asphaltstraße, ich gehe bis zum Parkplatz Schermoos, finde den E5 wieder und steige zur Langfenn Gastwirtschaft mit der Jakobskirche hinauf.

 

Ein endlos langer Weg, breit und ständig leicht fallend, führt am Rappenbichl vorbei über den Salten bis zur Gastwirtschaft Edelweiß. Am Weg Tafeln mit Sagen, Geschichten und Märchen der Gegend, von der Schule in Jenesien aufgestellt.

 

Der Abstieg vom Wirtshaus „Edelweiß“ nach Jenesien geht über eine recht befahrene Asphaltstraße, im Abendlicht sehe ich vor mir die Dolomiten. Ein Wegweiser kündet das Hotel Tschöggelbergerhof an, ich frage nach einem Zimmer, bekomme eines mit Halbpension und genieße ein wunderbares 5-Gänge Abendessen im Hotel.

 

 

19. Tag           Jenesien bis Bozen                                       7,5 km

 

Es ist Sonntagmorgen, ich gehe vom Gasthof durch das Dorf an der Kirche vorbei, die Kirchgänger grüßen mich freundlich, passiere das Hotel Belvedere und bin auf einem Weg, der zu ein paar Häusern führt. Ein Mercedes überholt mich, stoppt, eine ältere Dame steigt aus, sagt mir, dass ich falsch sei, ich müsse beim Tennisplatz hinabsteigen und würde dort den Weg Nr. 2 erreichen, der direkt nach Bozen führe.

 

Der Weg ist schlammig, steil und mit rutschigen Steinen übersäht, es geht durch Kastanien- und Buchenmischwald bis zu einer schmalen Asphaltstraße, die an der Burgruine Rafenstein vorbeiführt. Tief unter mir liegt Bozen, die Berghänge sind dicht mit Weinreben bewachsen.

 

Ich erreiche die Talfer, überquere sie auf einer Straßenbrücke und gehe auf der Bozener Wassermauer bis zur Museumsstraße. Vor dem Südtiroler Archäologie-museum eine lange Schlange wartender Touristen, die den „Ötzi“, den Steinzeit-menschen, der tiefgefroren beim Ötztal im Gletscher gefunden wurde, bestaunen möchten.

 

Beim Bahnhof finde ich ein Hotel, gehe hinein und bekomme ein Zimmer. Im gleichen Augenblick bricht ein Gewitterschauer los.

 

Am Nachmittag ist es wieder trocken, ich schlendere durch die Altstadt, besichtige die Kirchen Maria Himmelfahrt und die Dominikanerkirche, gehe essen. Am Sonntag sind viele Restaurants geschlossen, es ist schwierig etwas Gutes zu bekommen, so nehme ich mit einer Tiroler Wurstplatte vorlieb, mit einem selbstgebrauten Bier, das mich nicht begeistert.

 

Auf dem Marktplatz gönne ich mir ein teures Weißbier.