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Etappe 9: Santiago de Compostela - Finisterre 92 km

Veröffentlicht am 19.08.2012


Karten Etappe 9: Santiago bis Finisterre

 

Fotos Etappe 9: Santiago - Finisterre

 

107. Tag         17.08.2012      Santiago de Compostela bis Negreira                    20,5 km

 

Mit ein bisschen Wehmut verlasse ich Santiago, war es doch das eigentliche Ziel der Pilgerwanderung, Finisterre ist ja nur noch das i-Tüpfelchen darauf.

 

Es geht vom „Hostal dos Reis Catolicos“ eine schmale Straße hinunter, zwischen nied-rigen Hausreihen hindurch aus der Stadt hinaus. Bald erreiche ich einzelne Vororthäuser, Gärten, durch Eichenwäldchen laufe ich einen Berg hinauf. Ich drehe mich um, sehe hinter mir die noch ein letztes Mal die Türme der Kathedrale von Santiago, gehe dann einen Hügel hinunter in dichten Wald. Alte, hohe Eukalyptus säumen den Weg, der über kleine Berge hinauf und hinab führt, in Ventosa eine asphaltierte Landstraße erreicht.

 

Nun geht es die Asphaltstraßen entlang bis Agua Pesada, in einer Bar kehre ich ein, ich tue mich recht schwer, die Füße wollen nicht mehr, die Motivation fehlt.

 

Nach einem Kaffee ist mir besser, ich folge der Straße, am Ortsausgang gelbe Pfeile nach links, ich biege ab, keine Pfeile mehr, habe ich mich verlaufen? Nach wenigen Metern bergauf dann eine Einmündung und wieder Hinweiszeichen, ich hätte statt der Straße den Schotterweg 20 m davor nehmen sollen, der zwischen Bauernhäusern hindurchführt.

 

Ich biege ab, gehe steil einen Kiesweg hinauf, der im Eukalyptuswald zu einer Funk-station führt, dort wieder eine Asphaltstraße trifft, etwas weniger steil an einem Brunnen vorbei und dann hinab nach Carballo und Trasmonte. Kleine Dörfer, eingebettet in Maisfelder und Eukalyptuswälder liegen zwischen sattgrünen Hügeln, ich erreiche Ponte Maceira, gehe über die schöne steinerne Bogenbrücke in das alte Dorf hinein, am Wegrand einige der typischen alten galicischen Maisspeicher.

 

Auf dem Weg sind nur noch wenige Pilger unterwegs, nicht mehr der Massenansturm wie die letzten 100 km vor Santiago, ich habe wieder lange Abschnitte ganz für mich allein, sehe keinen Menschen.

 

Hinter Ponte Maceira verlasse ich die Straße, gehe am Fluss entlang unter einem gemauerten Viadukt und einer modernen Schnellstraßenbrücke hindurch, bis ich in Barca die verkehrsreiche Hauptstraße wieder erreiche, sie überquere, durch Barca hindurchgehe und wieder über die Hauptstraße muss. An einigen Fabrikgebäuden vorbei laufe ich bergauf nach Negreira hinein, gehe in das Hotel am Ortseingang, übernachte dort.

 

 

108. Tag         18.08.2012      Negreira bis Olveiroa                       35 km

 

Negreira ist einen geschäftige, moderne Stadt, nur wenige etwas ältere Häuser stehen darin, es gibt noch einen kleinen Rest einer Stadtmauer mit einem mittelalterlichen Stadttor. Nach ein wenig Suchen habe ich die Straße mit dem alten Tor gefunden, durch das ich Negreira verlasse. Es geht hinauf nach Iglesia, dort zweigt ein Weg ab, der am Friedhof mit der alten Kapelle vorbeiführt und dann zu einem von Steinmauern begrenzten Hohlweg wird, der lange Zeit durch Kastanien- und Eichenwald verläuft, gelegentlich kleine Ortschaften und die Straße streift. Am Wegrand steht gelbblühend noch ein wenig Ginster.

 

Weit vor mir sehe ich am Berghang ein weißes Haus, das ich nach längerem Wandern erreiche. Ich bin am Ortseingang von A Pena, ein Weg zweigt zu einer Bar ab, ich gehe hinauf, trinke einen Kaffee und esse mein 10-km-Bocadillo.

 

Von A Pena bleibe ich lange Zeit auf der Landstraße AC5603, die nur einmal kurz verlassen, aber bald wieder erreicht wird. Neben der Straße blüht lila Glockenheide, vor einer Linkskurve geht es einen Kiesweg steil hinunter nach Vilaserío, im Dorf Pilgerherbergen und eine Bar. Ich erreiche die AC5603 wieder, laufe sie entlang, bis ein Weg nach Cornado abzweigt, durch das Dorf führt und eine Landstraße, die AC5604, erreicht. Auf der Hügelkette neben der Straße drehen sich Windturbinen.

 

Nach wenigen Metern verlasse ich endgültig die AC5604, biege links auf einen Schotterweg ab, der etwas später zu einer kleinen Teerstraße wird, vor der Ortschaft As Maroñas einen klaren Fluss überquert, in dem Kinder baden, mit wassergefüllten Luftballons spielen, dann Santa Mariña an der Hauptstraße AC400 erreicht.

 

Die Hauptstraße wird schnell verlassen, ein schmaler, asphaltierter Weg führt über Bon Xesús und Geima auf den Hügel Monte Aro zu. Hier verschwinden die mit einer Muschel geschmückten Kilometersteine, lediglich an Abzweigungen ist sparsam ein gelber Pfeil auf die Straße gesprüht. Der Berg wird überschritten, dahinter sehe ich den Stausee von Fervenza. Kurvig geht es steil bergab, ich erreiche das Dorf Lago, hier stehen wieder Kilometersteine mit der Jakobsmuschel.

 

Ich komme an die Landstraße CP304, überquere auf einer schmalen Straßenbrücke den Fluss Xallas. Dahinter ein breiter, grün gestrichener Fußweg neben der verkehrsreichen Straße, der durch Ponte Olveira nach Olveiroa führt.

 

Olveiroa ist ein kleines Dorf, etwas abseits der Straße mit alten, aus Granit gemauerten Häusern, zwei Pilgerherbergen, Pensionen und drei Bars, das von Landwirtschaft und Pilgerindustrie lebt. Ich miete in einer Pension das letzte Zimmer.

 

 

109. Tag         19.08.2012      Olveiroa bis Finisterre                     36,5 km

 

Heute ist definitiv der letzte Tag meiner großen Pilgerreise. Das Wetter ist trüb, ich wandere in die Hügel hinein, die Flügel der großen Windturbinen verschwinden in den Wolken, ich höre nur ihr Sausen im Wind.

 

Es beginnt zu regnen, erst leicht, dann starker, konstanter Landregen, der Galicien so schön grünen lässt. Ich ziehe, das erste Mal seit Frankreich, meine Regenpersenning über und stapfe auf Kieswegen nach Hóspital de Logoso, erreiche dort eine Asphaltstraße und ein heftig dampfendes und stinkendes Hüttenwerk. Am Wegrand eine Bar, ein Schild verkündet: Letzte Bar für die nächsten 15 km (bis Cée).

 

Der Weg verzweigt sich, rechts geht es nach Muxía, links nach Cée, ich bleibe links, gehe auf dem grün gestrichenen Fußweg neben der Hauptverkehrsstraße, bis rechts eine Kiesstraße abzweigt.

 

Lange wandere ich bergauf-bergab auf einsamen Wegen durch den Regen, komme an der Kapelle Nuestra Señora de las Nieves vorbei, die in einem kleinen waldigen Tal liegt. Mehrere Pilger haben sich hier untergestellt, wollen den Regen abwarten. Es geht wieder den Hügel hinauf, ich wandere durch blühende Heideflächen, die im dichten Nebel kaum zu sehen sind, dann senkt sich der Weg, fällt steinig ab. Im Dunst erscheint der Hafen von Cée, der Regen hört auf, ein erster Blick auf das Meer.

 

Ich laufe durch die Stadt, gehe zur Seepromenade hinunter und folge ihr bis Corcubión, muss dort in der Stadt aufwärts steigen, durch einen ganz schmalen Pfad zwischen hohen Mauern hindurch zu einer breiten Schotterstraße und über den Bergrücken, auf dem Armareia liegt.

 

Ich gehe wieder hinunter ans Meer, erreiche Sardiñeiro, laufe erst am Wasser entlang, dann die Hauptstraße durch das Dorf, noch einmal über Hügel. Hier habe ich einen ersten Blick auf das Kap Finisterre.

 

An der Hauptstraße entlang komme ich zum Ortseingang von Finisterre, biege einen Weg zum Strand hinunter ab und wandere auf einem Plattenweg an Meer und Strand entlang bis ins Dorfzentrum, nehme ein Zimmer in einem Hotel und dusche mich.

 

Sauber und mit einem frischen Hemd gehe ich die letzten 3,5 km meines Weges auf der Hauptstraße zum Kap, einem der westlichsten Punkte des europäischen Festlandes.

 

Dichte Wolken hüllen die Felsen und den Leuchtturm ein, es ist nichts, aber auch wirklich überhaupt nichts zu sehen. Soll das das Ende des Weges sein, eine milchige, graue Leere? Aber Wind kommt auf, bläst den Nebel davon, ich sehe das schaumgekrönte Meer, die Costa da Morte - die Todesküste, steige auf die Steine vor dem Kap hinauf, rekapituliere in Gedanken meinen langen Weg und warte den Sonnenuntergang ab.

 

Kitschig-rot endet der Tag, es dunkelt. Die Straße hinunter laufe ich zurück, ins Hotel, zum Bus, nach Santiago, zum Flughafen, nach Hause. Jetzt erst stellt sich die tiefe Freude ein, den Weg bewältigt zu haben, es war eine kraftvolle, eine würdige und sehr erfüllende Wanderung.