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Etappe 4 Verona - Florenz 292 km

Veröffentlicht am 05.11.2011

 

Karte: Weg von Verona bis Florenz

 

Fotos Etappe 4: Verona - Florenz

 

33. Tag           Verona bis Pellegrina                                  31 km

 

Ich verlasse Verona, gehe an der Arena vorbei ein Stück an der alten Stadtmauer entlang, quere hinüber zum Bahnhof, unterschreite die Eisenbahngeleise und gehe die breite Ausfallstraße, links von einem Kanal mit schnell strömendem Wasser begleitet, entlang, bis ich unter einer Ringstraßenbrücke hindurch muss. Ich biege dahinter rechts ab, folge der Straße vor dem Messegelände und sehe einen Weg-weiser nach Castell d’Azzano, mir den weiteren Weg in die Ebene zeigend.

 

Eine Brücke, eng und gefährlich, geht über die Eisenbahnlinie hinweg, ein kleiner Tunnel unterquert die Autobahn. Die Alpen verschwinden hinter mir im Dunst, die Straße „Strada la Rizza“ bringt mich schnurgerade aus Verona heraus nach Süden, zunächst mit Bürgersteig, dann nur Seitenstreifen. Ich schreite in die Ebene hinein, durchwandere Rizza, dann Azzano, Forette, Vigasio, biege dort auf die „Via Isola della Scala“ ab, eine vielbefahrene Straße, ich bleibe am linken Straßenrand.

 

Die Straße führt durch endlose Maisfelder, Reisfelder, Tabakfelder, Pappel-plantagen. Bauern bringen mit großen Tankwagen Gülle auf einem brachliegenden Acker aus, versprühen sie auf dem Land und pflügen sie mit 5-Schar-Wendepflügen ein, es stinkt zum Himmel.

 

Am Ortseingang von Isola steht ein altes Stadttor, der Turm ist schief eingesunken, eine Brücke überquert den Fluss. Die Hotels in Isola melden sich nicht unter den vorher im Internet ermittelten Telefonnummern, sind besetzt oder geschlossen, nur in Pellegrina erhalte ich Antwort, kann ein Zimmer reservieren.

 

Von Isola gehe ich die Staatsstraße SS 12 entlang, Schwerverkehr donnert an mir vorbei. Ich bleibe auf der rechten Straßenseite und stelle fest, dass auch italienische Autofahrer einen Fußgänger am Straßenrand nicht einfach von hinten überfahren, sondern abbremsen und ausweichen, beim Gehen auf der linken Seite mit Blick-kontakt, war das anders, hier erwartete man von mir, die Straße zu verlassen.

 

Eine neue Umgehung mündet in die Staatsstraße ein, ein Rest alten Asphalts liegt ungenutzt neben der neuen Trasse, wird von der Vegetation zurückerobert, Brom-beerranken wuchern entlang der Risse im Teer, Löwenzahn sprießt aus bröckeligen Löchern hervor, Gras nutzt kleine sandige Stellen zum Wachsen.

 

Neben der Straße verläuft ein Kanal, ein paar Teichhühner fliehen im trägen Wasser vor dem Ticken meines Wanderstockes, eine Gruppe Schwertlilien hat sich angesiedelt, große gelbe Blüten leuchten im Grün des Ufers.

 

Pellegrina ist ein unscheinbares Nest, das Hotel eine Herberge für Fernfahrer, der freundliche Wirt zeigt mir mein Zimmer, so groß, wie im 4-Sterne Hotel in Verona, nur die Klimaanlage dröhnt nicht so laut, und es ist halb so teuer.

 

 

34. Tag           Pellegrina bis Ostiglia                                  32,5 km

 

Bei leicht bedecktem Himmel muss ich den Weg von gestern etwas zurück, verlasse bei einer Abzweigung nach links so schnell wie möglich die Staatsstraße, überquere den Tartaro-Fluss, wandere weiter in die Ebene hinein und gehe auf stiller, schmaler Landstraße nach Sorgà und Bonferrao, überquere dort die Hauptstraße und finde mich auf einem kleinen Weg wieder, der scheinbar ins Nirgendwo führt. Auf der anderen Seite eines Flusses rechts von mir sehe ich Autoverkehr nach Villimpenta, aber es führt kein Weg hinüber.

 

Auf der Straße liegen hunderte von plattgefahrenen Fröschen, einige Schlangen, viele Igel und sogar die Leichen zweier Steinkäuze, die nicht mehr rechtzeitig einem der wenigen hier fahrenden Autos entkommen konnten.

 

Ich wandere weiter, der Weg biegt bei einem Gehöft links ab, trifft auf eine Straße, die nach Süden in Richtung Villimpenta verläuft. Ich erreiche über eine Brücke die Stadt. Die Zinnen der Burg, die als bewehrtes Kloster um 1040 erbaut und später am Anfang des 13. Jahrhunderts von den Scaligeris, den despotischen Herrschern Veronas, renoviert und als Festung ausgebaut wurde, schauen über Baumwipfel hinweg.

 

In einem Restaurant genehmige ich mir ein Mittagessen, als Vorspeise ein vorzüglicher Risotto, als Hauptspeise frittierte Süßwasserfische, die leider eine Enttäuschung sind, Krabben, die nach Hühnerfutter schmecken, trockene Köder-fischlein und zwei total verbratene Welse.

 

In fast jedem Gehöft, fast jedem Haus verfolgen mich hinter dem Gartenzaun Hunde, belästigen den einsamen Wanderer mit ihrem nervtötendem Lärm, kleine Pinscher, die giftig kläffen, aber auch große schwarze, kampfhundartige Ungetüme mit spitz zugeschnittenen Ohren, die ein dumpfes Grollen ausstoßen und bei denen man sich nicht wünscht, dass sie den Zaun überspringen könnten.

 

Auf meinem Weg zur „Strada Intercomunale“, die auf einer Brücke den breiten Canale Fissero überquert, ziehen plötzlich dunkle Wolken auf, brodeln am Himmel, verkünden ein nahendes Unwetter. Sturm kommt auf, ich suche in einer leer-stehenden Bauernhausruine Unterschlupf. Der erwartete Starkregen bleibt jedoch aus, es tröpfelt ein wenig, der Wind lässt nach und der Spuk ist vorbei, die Tem-peratur ist aber merklich gesunken, das Wandern nicht mehr so schweißtreibend.

 

Am Horizont tauchen die Schornsteine des Kraftwerkes bei Ostiglia auf, obszön rot-weiß gestreift wie die Ringelstrümpfe einer Cancan-Tänzerin. Sie weisen mir den Weg durch endlos scheinende, mit Wasserkanonen beregnete Maisfelder.

 

Ich überquere die Hauptstraße, die von Mantua nach Ostiglia führt, gehe auf dem Deich des Po langsam in die Stadt hinein, ein Straßenkreisel, der dröhnende Verkehr hat mich auf dem Weg zur Brücke über den Po wieder eingeholt, ich erreiche mein Hotel.

 

 

35. Tag           Ostiglia bis San Felice                                  35 km

 

Ich habe den Po erreicht, eine Stahlgitterbrücke überquert den Strom, die, schon 1927 erbaut, in bedenklichem Zustand ist, durch die darüberfahrenden Autos spürbar bebt. Der Schwerverkehr muss warten, wenn entgegenkommende, überbreite Lkw die Durchfahrt behindern, für zwei Lastwagen ist die Brücke zu schmal.

 

Für Fußgänger und Radfahrer gibt es einen gesonderten Steg neben den Stahlbögen, aber auch dieser ist so eng, dass man warten muss, wenn Radler entgegenkommen oder überholen wollen.

 

Am anderen Ufer des Po, in der Ortschaft Rèvere, verlasse ich in einem kleinen Park sofort die Hauptstraße, biege links ab, gehe durch einen Tunnel unter der Eisenbahn-linie hindurch und bin wieder, von Autos kaum belästigt, auf weiter Ebene. In leichten Kurven passiert die Straße kleine Ortschaften, Ansammlungen von wenigen Häusern, von alten Bäumen beschattet, ab Cuattrocase ein neuer Rad- und Fußweg, der mich nach Poggio Rusco hineinführt. Eine Frau spricht mich an, fragt, ob ich auf dem Weg nach Rom sei, wünscht mir Glück und Gottes Segen.

 

Eine Nebenbahnlinie wird überquert, dann, ganz versteckt, ein Tunnel für Fuß-gänger, der in die Innenstadt leitet. In Poggio Rusco passiere ich die schöne, klar gegliederte Fassade der Kirche, suche die „Strada Carnevale“ und gehe wieder hinaus in die Ebene.

 

Der Tabakanbau ist durch Sorghum, Hirse, ersetzt, eine ganz winzige Asphaltstraße zweigt ab, zwischen Pappeln und Maisfeld, begleitet von hölzernen, schiefen Strom-masten gehe ich nach Süden, in einem Tunnel unter der Eisenbahnlinie hindurch und weiter auf weißer Schotterstraße. Die Sonne brennt, vor mir ein Wolkenschatten, den ich versuche einzuholen, der aber vor mir davonwandert, nicht zu erreichen ist.

 

Cuaràntoli, Cividale, La Picca: Straßendörfer mit von Hunden geschützten Häusern hinter Zäunen, ein Schotterweg durch Obstgärten nach San Biagio, eine lange gewundene Dorfstraße. Ein Mann schneidet in seinem Garten von einer Leiter aus Zweige ab, die über die Straße reichen, ein Ast fällt auf den Gehweg, ich bücke mich und reiche ihm das Buschwerk, das er dankend annimmt.

 

Eine trostlose, langweilige Straße durch niedrige Obstplantagen und kahles Acker-land führt auf einen Getreidesilo zu, hier soll irgendwo im Industriegebiet Polo mein Hotel sein, Fußwege, ich erreiche die Hauptstraße, biege links ab, ein Restaurant, eine Tankstelle und daneben, endlich, meine Unterkunft.

 

 

36. Tag           San Felice bis San Giovanni                       35 km

 

Heute bleibt es mir nicht erspart, ich muss die verkehrsreiche Hauptstraße gehen. Aber zunächst, da es im Hotel kein Frühstück gab, wandere ich nach San Felice hinein, um mich mit einem kleinen Imbiss, einem Espresso, einem Mineralwasser und einem Aprikosencroissant, für den Weg zu stärken. Im Zentrum „La Rocca Estense“, die alte Burg der Stadt.

 

Die vielbefahrene Straße geht nach Camposanto, im Ort Bürgersteige, dann kann ich auf der Schnellstraßenbrücke den Panaro überqueren und weiter, bei unheimlich viel Autoverkehr, bis zur Einmündung der „Via Paradise“ in Ronchi auf der Staatsstraße gehen. Dort endlich führt links ein kleiner, weißer Kiesweg in das Land hinein, der nach kurzer Wegstrecke rechts abbiegt. Ich bin zwischen meinen gewohnten Maisfeldern, schreite nach Süden aus, erreiche eine schmale Asphaltstraße, die mich kurvig zwischen Ravarino und Crevalcore hindurch auf den Weg nach Sant'Agata bringt. Hier passiert es das erste und einzige Mal, dass ein italienischer Autofahrer seinem schlechten Ruf gerecht wird, und es lustig findet, laut hupend von vorne auf mich zuzufahren.

 

Langer, schnurgerader Weg, nur von einigen Büschen begleitet, ich gehe zwischen abgeernteten Getreidefeldern in der heißen Sonne, Brückendamm hinauf, Kanalbrücke, Brückendamm hinunter, Brückendamm hinauf, Kanalbrücke, Brücken-damm hinunter, auf die weithin sichtbare Kirche von Sant'Agata zu, erreiche den Ort, durchquere die Altstadt und biege links auf die 4 km lange Straße nach San Giovanni ab.

 

Dort, am Stadteingang erkundige ich mich nach dem Hotel, bekomme zur Antwort, dass es ca. 5 km auswärts an der Bolognastraße liegt.

 

Unter schattigen Bäumen umrunde ich den Altstadtkern, gehe an einer Klinik vorbei und bin in einem modernen Hotelkomplex. Ein angenehmes Zimmer, das Abendesssen könnte besser sein.

 

 

37. Tag           San Giovanni bis Bologna                           22 km

 

Vom Hotel führt ein Radweg die Hauptstraße entlang, schützt mich vor den Autos, reicht bis zu einem Kreisverkehr. Von dort gehe ich kurze 1,5 km bis zur Ab-zweigung nach Budrie, die Ebene hat mich wieder, weite Äcker, ein verfallender Bauernhof, Pappeln, die Kirche von Budrie und am südlichen Horizont, sich schon klar abzeichnend, die Hügel des Appenin.

 

Bei Budrie passiere ich die Kirche und ein altes, mächtiges Schloss, das renoviert wird, gehe über eine Brücke, eine Straße zwischen Maisfeld, Kanal, Stromleitung und Pappelallee. Die Gegend ist sehr ländlich, die Nähe der Stadt Bologna nur durch die tieffliegenden Flugzeuge, die vor der Landung auf dem nahegelegenen Flughafen das Fahrgestell ausfahren, zu bemerken. In Sacerno steht eine alte Kirche, auf einem Berg sehe ich die Wallfahrtkirche Madonna de San Luca, die schon hinter der Stadt Bologna liegt, von der hier noch nichts zu ahnen ist.

 

Hinter einer Baumgruppe führt ein Tunnel unter die Autobahn hindurch, plötzlich stehe ich an der Schnellstraße nach Bologna, am Straßenrand überschreite ich auf einer Brücke Eisenbahngeleise und eine zweite Autobahn, bin nach wenigen Metern an einem Kreisverkehr und gehe auf dem Bürgersteig der sehr geraden und sehr langen Straße „Via Emilia Ponente“ in die Stadt Bologna hinein.

 

In einem Café trinke ich ein Mineralwasser, einen Kaffee, esse ein Croissant. Ein abgerissener Bettler, in schmutzige Lumpen gehüllt, betritt das Restaurant, bittet um ein Glas Wasser, trinkt es gierig aus und verschwindet wieder.

 

Vor dem Stadttor in der „Via Rizzoli“ lockt ein Hotel, ich frage nach einem Zimmer und kann übernachten.

 

Ich habe es geschafft, habe die Po-Ebene durchwandert. 130 km Flachland, Mais-felder, Reisfelder, Pappelplantagen, Sorghumfelder, abgeerntete Getreidefelder, Asphaltstraßen, Kieswege, Hochspannungsleitungen, Kanäle und Flüsse liegen hinter mir, es war viel leichter, als ich es erwartet hatte.

 

Nachdem ich mich geduscht habe, gehe ich in die Altstadt, besichtige, was zu besichtigen ist, das Rathaus Palazzio d'Accursio, den Neptunbrunnen, den Convento de San Francesco, die Sieben Kirchen von San Stefano. Ich bummle unter den Arkaden, finde eine kleine Trattoria, esse zu abend und gehe früh schlafen.

 

 

38. Tag           Bologna bis Sasso Marconi                         22 km

 

Aus der Innenstadt Bolognas gehe ich zur Porta Saragozza, dort beginnt der aus 660 Bögen bestehende Arkadengang, der hinauf zur Kirche Madonna di San Luca führt, zunächst noch flach, dann, nachdem auf einer Brücke die Straße überquert wurde, steil, mit unzähligen Stufen und zwischen den Stufenpartien ansteigenden schiefen Ebenen, am Ende ein Kreuz und die Kirche.

 

Ich trete ein, es wird gerade die Messe gelesen, ich setze mich unauffällig in eine Bank, bleibe für einen Moment der Besinnung und verlasse die Kirche ebenso unauffällig wieder.

 

Hinter der Kirche ein Garten, ein kurzes Stück auf einer Asphaltstraße, dann, den Stationen eines Kreuzweges nach, steil einen bewaldeten Berg hinunter, gegenüber der Kirche von San Martino betrete ich den Park, der einst zur Villa der Adelsfamilie Marchesi Sampieri gehörte, durchquere ihn auf breitem Kiesweg und zweige, bei einer Weggabelung neben einem einsamen Haus, rechts zum Fluss Reno ab. Ein fußbreiter Pfad führt durch die Flussauen, durch Mountainbike-Fahrer ausgefahren, ich erreiche eine blaue Stahlgitterbrücke, über die ein Fußsteig zum anderen Flussufer führt, von dort dröhnt das Brausen der Autobahn. Ich bleibe auf meiner Flussseite und gehe unter der Brücke hindurch, suche meinen Weg auf der sich häufig verzweigenden Spur.

 

Dschungelartige Vegetation umgibt mich, das Gezeter der Zikaden ist ohren-betäubend, feuchte drückende Luft lässt den Schweiß nicht trocknen. Mit dem Wanderstock muss ich mir den Weg durch Brombeerranken und Brennnesseln bahnen. Wenn sich der Wald lichtet, schwirren wieder Heuschrecken vor meinen Schritten davon, hier allerdings mit leuchtend blauen Unterflügeln. Im dichten Grün stehen Pfützen in kleinen Kuhlen, die umgangen werden müssen, umgestürzte Bäume versperren den Weg, ich muss drüberklettern, die grauen Pferdebremsen attackieren mich, ihr dumpfes Brummen, das klingt, wie ein australisches Schwirr-holz, kündigt sie an, da ich durch lange Hose, langarmiges Hemd und Mütze geschützt bin, finden sie bei mir kaum Angriffsflächen.

 

Endlich weitet sich der Pfad, der Zikadenlärm bleibt zurück, ein breiter Kiesweg leitet an einem ausgetrockneten See vorbei, hinter dem steile, hohe Felswände aufragen, zwei alleinstehende Häuser darunter. Bei Vizziano erreiche ich die Asphaltstraße, gehe bergab bis zur Abzweigung zum Palazzo Rosso. Ich erspare mir das alte Gemäuer, schlage den Weg Richtung Sasso Marconi ein, auf jetzt breiterer Straße leicht bergauf, bergab. Bei einem Tabachi, dessen Terrasse hoch über dem Reno-Fluss liegt, stärke ich mich mit einem Mineralwasser, ich erreiche die Haupt-straße, habe jetzt viel LKW-Verkehr, es geht zunächst recht mühsam aufwärts, dann genauso mühsam wieder hinunter, ein Tunnel unter die Autobahn hindurch, dahinter führt eine Brücke über den Fluss in das Stadtzentrum Sassos.

 

Ich bleibe vor der Brücke auf der Hauptstraße, wende mich nach links, gehe am Hotel Meridiana vorbei, das geschlossen ist und erreiche einen großen Verteiler-kreisel. Gegenüber das Hotel „Oasis", ich nehme ein Zimmer.

 

 

39. Tag           Sasso Marconi bis Monzuno                       20,5 km

 

Vom Hotel führt der Weg auf einer Kiesstraße durch ein großes Tor hindurch, dessen Seitenpfeiler mit Riesenmuscheln aus Beton geschmückt sind, überquert auf einer schmalen Brücke die Autobahn, verlässt gleich dahinter den Fahrweg und schlängelt sich über eine Wiese auf den bewaldeten Berghang zu. Zurückblickend habe ich eine schöne Sicht auf die Stadt Sasso Marconi.

 

Es geht den Hang hinauf, wieder über eine Wiese und dann an einem Zaun entlang auf schlüpfrigem Lehmboden steil aufwärts, ich erreiche den Bergrücken des Monte Mario, rechts ein senkrechter Absturz, links ein steil abfallender, bewaldeter Hang, gehe auf diesem Grat entlang. Auf einem kleinen Plateau mache ich Pause, tief unten sehe ich den Reno. Der Pfad geht bergab, bei einer Weggabelung bleibe ich links, nehme einen angenehm durch schattigen Wald führenden breiten Hohlweg ohne Steigungen und Gefälle, der mich um den Monte La Rocca herumführt.

 

Bald bin ich wieder auf schmalem Steig, gehe steil den Berg hinunter, erreiche einen breiteren Weg. Eine rechts/links Konfusion im Reiseführer verwirrt mich, die Angaben können so nicht stimmen, ich darf nicht rechts abbiegen, da ich dann zur linken die Autobahn und das Sasso-Tal sehe, ich bleibe also links, erreiche auch bald die Wegmarkierungen des CAI. Es geht im Wald abwärts, ich erreiche die Straße von Monzuno nach Bàdolo, überquere einen Bach auf der Straßenbrücke und verlasse das Asphaltstück wieder. Im schattigen Wald fließt aus dem Berg eine Quelle, ich fülle meine Wasserflaschen auf, unter Felswänden geht es wieder steil bergauf, dann wird es flacher, ein breiter Kiesweg neben mit einem Zaun abgegrenzten Wiesen, der Friedhof von Bàdolo, das Dorf.

 

Ich beschließe, nicht den Monte Adonis zu überschreiten, sondern gehe auf der praktisch verkehrsfreien Straße von Bàdolo nach Brento. Über mir ragen die zerklüfteten Gipfelfelsen des Adonis-Berges in den Himmel. Am Straßenrand liegt das Wrack einer alten Waschmaschine, ich setze mich darauf, esse einen vom Frühstücksbuffet gemopsten Zitronenkuchen und freue mich wie ein Schneekönig, dem Reiseführer ein Schnippchen geschlagen und die mühsame Bergüberschreitung ausgelassen zu haben.

 

Eine Serpentine führt hinauf nach Brento, dann gerade, schattenlose Asphaltstraße zum Monterùmica, vor der Bergkuppe zweigt ein Weg rechts ab, führt an Villen vorbei, wird dann zu steiniger, grob gepflasterter Straße, die links in den Wald hinein und wieder zur Asphaltstraße führt. Ich erreiche die Hauptstraße nach Monzuno, nur noch vier Kilometer bis zur Ortschaft, tappe sie entlang, biege vor Monzuno noch einmal links in den Wald ab, um dann doch letztendlich, nach dem Kreisverkehr rechts, die vielbefahrene Straße den Berg hinauf nehmen zu müssen. Im Ort angekommen liegt links hinunter das Hotel.

 

Dort ist ein Zimmer frei, mit nachträglich eingebauter Sanitärkabine. Das Wasch-becken kann lustig hin und her geschoben werden, damit abwechselnd Dusche und Bidet oder die Toilette zu benutzen sind.

 

Abends zieht der Himmel zu, ein Gewitter entlädt sich.

 

 

40. Tag           Monzuno bis Madonna dei Fornelli           10,5 km

 

Nach dem Gewitter gestern abend hat das Wetter gewechselt, der Himmel ist bedeckt. Der Weg führt am Sportplatz vorbei und an dem im Führer beschriebenen Bauernhof mit den tatsächlich laut und anhaltend kläffenden Hunden, die in einem Drahtzwinger eingesperrt sind, ich lasse Monzuno schnell hinter mir.

 

Über Wiesen, durch Kastanienplantagen und dichten Wald, Bäche werden auf kleinen Brücken überschritten, erreiche ich einen großen, runden Fernmeldeturm der Telecom, gehe auf der Asphaltstraße, die um den Turm herum-führt kurz links, biege dann an einem Knick rechts ab und erreiche über einen Wiesenpfad den breiten Kiesweg nach Le Croci. Am Weg laden Holzbänke zum Rasten ein, der Blick in die Hügel des Appenin ist atemberaubend.

 

Der Weiler Le Croci besteht aus drei Steinhäusern, geschützt von einem weißen Hund, der müde an seiner Kette auf der Straße liegt und sich nicht rührt, obwohl ein Schild warnt, dass er beißen könnte.

 

Ich gehe durch Le Croci hindurch, biege hinter den Häusern links ab und wandere auf dem Kiesweg, an Windgeneratoren vorbei, die sich in der stillen Luft nicht rühren, in Richtung Madonna. Bergab passiert es, ich nehme meinen Wanderstock zur Abwechselung in die linke Hand, konzentriere mich auf den neuen Bewegungsablauf und lasse den Weg aus den Augen, rutsche im steilen Schotter aus und purzele ein paar Meter den Berg hinunter. Ich rappele mich auf, kontrolliere Hände und Knie auf Verletzungen, es ist, zum Glück, nichts passiert.

 

In Madonna gehe ich in die Kirche, sehe mir das Marienbild mit dem leicht debil blickenden Kind an und bin unschlüssig, ob ich weiterwandern, oder hier übernachten soll. Ich bin nicht müde, aber der innere Schweinehund behält die Oberhand. Ich lege einen faulen Tag ein und übernachte, nach nur 10 leichten Kilometern, in Madonna. Das Hotel dient gleichzeitig als Altenresidenz. Hochbetagte sitzen auf der Terrasse, spielen Karten, warten darauf, dass zum Essen geläutet wird. Aus dem Nebenzimmer höre ich nachts lautes Stöhnen, gurgelndes Schnarchen und „Madonna mia“-Rufe, mir ist unheimlich.

 

 

41. Tag           Madonna dei Fornelli bis Traversa            20,5 km

 

Bei bedecktem Himmel gehe ich los, biege beim Sportplatz rechts ab, erst Asphalt-, dann Schotterstraße, ein Wiesenweg, dann wieder Schotter. Es beginnt leicht zu regnen, in der Ferne grummelt hinter mir ein Gewitter. Ich komme in lichten Laubwald, dann Nadelwald, es geht stetig bergan. Ich überquere eine Teerstraße, links tut sich ein weiter Blick in das Tal auf, gehe weiter einen schmalen Weg entlang, der von Villen gesäumt ist und in dunklen Wald führt.

 

Hier sind die ersten Hinweise auf die alte Römerstraße angebracht, im Wald geht ein Pfad links ab und ich stehe an einem grob gepflasterten Straßenrest, auf dem wohl schon Asterix und Obelix auf ihrem Weg nach Rom unterwegs waren, gehe ein Stück darauf entlang und wieder zum Hauptweg zurück. Am Wegrand steht eine Scheune mit überstehendem Vordach, ich setze mich darunter, trinke Wasser und esse ein Vanillekipferl, das ich aus Madonna mitgebracht habe.

 

Der Weg verschwindet in düsterem Fichtenwald, es wird stockdunkel, das Ge-witter grummelt immer lauter, hat mich wohl eingeholt. Am Waldende ein Gatter, erste große Tropfen fallen, ich ziehe meine Regenpersenning über und wandere in eine offene, hügelige Wiese, mit einem Haus und einem Baum in der Mitte, hinein. Es beginnt zu gießen, in strömendem Regen stapfe ich weiter, jetzt blitzt und donnert es heftig, die Blitze zucken aber nur zwischen den Wolken, schlagen nicht in die Erde ein. Ich erreiche wieder Wald, fühle mich hier sicherer als im offenen Gelände. Es geht an einem Zaun entlang, der einen kleinen Stausee abtrennt, dann stetig aufwärts in dichtem, altem Buchenwald. Der Weg hat sich in einen Bach verwandelt, von den Bäumen stürzen kleine Wasserfälle herunter. Ich erreiche wieder Teilstücke der Römerstraße, der Weg, nunmehr ein schlammiger, gelber Fluss, geht endlos auf und ab, mal dichter Wald, dann wieder lichter junger Baumbestand. Blitz und Donner begleiten mich unaufhörlich, zwei Wanderer, eingehüllt in blaue Regenkleidung, kommen mir entgegen, wollen wohl die Römerstraßenteilstücke besichtigen, wir grüßen uns, dann endlich ein Wegweiser nach Traversa und zum Passo della Futa. Ich entscheide mich für den Pass, stehe nach kurzer Strecke an einer vielbefahrenen Straße, gegenüber das Denkmal auf dem deutschen Kriegsgräberfriedhof.

 

Im Hotel am Futapass ist kein Zimmer frei, im Restaurant wird festlich gedeckt, es sieht nach einer Abendgesellschaft aus. Man sagt mir, ich solle im Campingplatz nachfragen. Aber auch dort ist weder ein Zelt, noch eine Hütte frei. Ich rufe in Traversa an, bekomme ein Zimmer und gehe durch den Wald zurück zur Abzweigung, dann abwärts an die Hauptstraße nach Traversa und das kurze Stück zum Hotel.

 

 

42. Tag           Traversa bis San Piero a Sieve                   23 km

 

Von Traversa gehe ich die Hauptstraße zum Futa-Pass, biege bei dem großen Kreisverkehr links auf die Straße nach Firenzuola ab und verschwinde bei einem grauen Transformatorenhaus rechts in den Wald. Nun beginnt der lange, stetige Aufstieg auf den Monte Gazzaro, es geht durch Wald, von Farnwedeln überwucherte Wiesen, über offenes Grasland.

 

Ich folge problemlos den rot-weißen Markierungen des CAI, bis ich vor mir das Kreuz mit dem Gipfelbuch der „Via degli Dei“ sehe, dahin aufsteige und mich in das Buch eintrage. Der Rundumblick von hier ist beeindruckend, sowohl in das Saterno wie in das Mugello Tal. Es weht ein kalter Wind, ich fröstele, steige schnell zum Waldgipfel des Monte Gazzaro auf. Auf dem Gipfel steht ein Stein mit einer dreiblättrigen Kleeblattmarkierung.

 

Der steile Abstieg ist nach den gestrigen Regenfällen rutschig, aber lange nicht so schwierig, wie im Führer beschrieben. Unten eine von Brombeersträuchern über-wucherte Ebene, der Wanderweg ist freigeschlagen, lässt sich gut verfolgen. Eine Gruppe Jugendlicher, wohl eine Schulklasse, begegnet mir, der Lehrer in größerem Abstand allein hinterher. Ihre Spuren leiten mich weiterhin immer auf den richtigen Weg.

 

Auf schmalem Pfad geht es bis zum Passo dell'Osteria Bruciata (Verbranntes Gasthaus), hier soll einst ein Wirtshaus mit einer makabren Geschichte gestanden haben: der Wirt pflegte seine Gäste köstlich zu bewirten, sie dann nachts auszurauben und zu ermorden. Mit dem so gewonnenen Fleisch bewirtete er dann die nächsten Gäste, um sie dann nachts ... usw., usw. Als das ökonomisch sicher erfolgversprechende, aber moralisch verwerfliche Geschäftsmodell ruchbar wurde, richtete man den Wirt hin und machte die Wirtschaft dem Erdboden gleich. Der Platz ist mit einem dreieckigen Gedenkstein gekennzeichnet.

 

Hier beginnt ein breiter Waldweg, der zunächst eben, dann stetig abwärts durch dichten Wald an einer Ruine vorbei in offenes Hügelland führt. Zypressen stehen am Rand des Weges, der zur Kiesstraße wird und durch Montepoli an der alten Kirche vorbei nach Sant'Agata verläuft, dort auf eine kleine Asphaltstraße trifft.

 

Ich vertue mich mit den Straßen, statt der einsamen Landstraße über Gabbiano erwische ich den Weg nach Scarperia, muss von dort auf der vielbefahrenen Staatsstraße, die allerdings einen meterbreiten Randstreifen hat, auf dem man bequem laufen kann, nach San Piero a Sieve gehen.

 

In San Piero nehme ich mir ein Zimmer, gehe ein köstliches Eis mit Pistazien, Nuss und Schokolade essen, speise in einer vorzüglichen Trattoria zu abend.

 

 

43. Tag           San Piero a Sieve bis Fiesole                       28 km

 

Ich folge dem im Führer gut beschriebenen Weg aus San Piero heraus, erreiche bei dem Gehöft Monte Caciòli einen breiten Waldweg. Dann suche ich verzweifelt Weggabelungen, schmale Steige mit gelben Punkten gekennzeichnet, sich verengende Fußpfade, nichts davon ist zu sehen, verunsichert gehe ich auf breitem Waldweg immer geradeaus, wenn ich falsch bin, muss ich irgendwann die Straße von Vàglia nach Bivigliano erreichen. Plötzlich, nach drei Kilometern, vor einem den Weg abschließenden kegelförmigen Hügel, ein Pfad nach links und zwei gelbe Punkte, die Kennzeichnung des Götterweges. Bald sehe ich auch rotweiße CAI-Markierungen, bin also richtig. Seit Druck des Wanderführers hat sich wohl die Weglandschaft verändert.

 

Ich erreiche eine kleine Asphaltstraße und die alte Abtei Badia del Buonsolazzo, verlasse die Straße und gehe durch stillen Waldweg bergauf. Hinweisschilder leiten mich zum Konvent auf dem Monte Senario.

 

Mit dem Mittagsläuten erreiche ich das Kloster, gehe einmal um die Gebäude herum, dann die Treppe zur Kirche hinauf. Ich setze mich in eine Bank, hinter einem Vorhang Geräusche, Stimmen, Mönche setzen sich und beginnen mit der Messe.

 

Ich gehe still hinaus, am Kloster links bergab und folge den Wegweisern des CAI 02. Ein Radfahrer überholt mich auf seinem Mountainbike, der Weg führt um den Berg herum, dichter Wald umgibt mich, an einer Stelle ein Bagger zwischen den Bäumen, der die Straße planiert, links geht es steil bergab, in einem steinigen Bachbett in vielen Kehren unter Felswänden hindurch, schließlich wird es flacher, ich stehe an einer Asphaltstraße, gegenüber sehe ich einen Friedhof, gehe hin und setze mich auf eine Bank. Ich weiß nicht, wo ich bin, auf jeden Fall nicht auf dem im Führer beschriebenen Weg, frage ein älteres Paar, das im Auto zum Friedhof gekommen ist, nach dem Weg, sie verstehen mich nicht, mit der Landkarte kann der Mann nichts anfangen. Ich frage, wo es nach Florenz geht, er deutet die Straße hinab. Ich folge ihr, erreiche Polcanto, gehe dann zum Pass Vetta le Croci hinauf, biege dort über eine Wiese ab und steige durch Wald und Schlehengebüsch auf den Berg Poggi Il Pratone. Ich genieße vom Gipfelplateau den Rundblick in die Toskana, ein weißer Kiesweg bringt mich an einer Radiostation vorbei hinunter auf eine kleine, zypressengesäumte Asphaltstraße, die nach Fiesole leitet.

 

 

44. Tag           Fiesole bis Florenz                                       12 km

 

Vom Domplatz in Fiesole gehe ich, an der kleinen Kirche Santa Maria Primerana vorbei, am Hang entlang zum Monte Cèceri. Rechts unter mir liegt das Häusermeer von Florenz, die mächtige Domkuppel ragt aus den roten Dächern heraus.

 

Zwischen Steinmauern hindurch erreiche ich dichten Wald, schmale Pfade an Höhlen vorbei gehen steil den Berg hinunter, ein steiniger Weg an einem grünen Maschendrahtzaun entlang bringt mich bei einem Restaurant auf eine verkehrsreiche Straße. Ich halte mich links, verlasse die Hauptstraße und gehe einen schmalen, asphaltierten Weg, die „Via Benedetto de Maiano“, nach Maiano hinein. Hier biege ich bei einer kleinen Kapelle ab, folge dem im Führer beschriebenen Weg, bin nur an einer Stelle unsicher, muss nicht entlang des Baches gehen, sondern ihn auf einer kleinen Brücke überqueren, bin nun in einem vornehmen, zurückhaltenden Villenviertel, durch das ich die „Viale Augusto Righi“ erreiche.

 

Endlich bin ich in der Stadt Florenz, ich biege auf die „Via Auguste Pincinotti“ ab, gehe immer gerade aus, über die Eisenbahnlinie, die „Piazzale Donatello“ hinweg, bis rechts die unscheinbare Straße „Via Guiseppe Giusti“ abzweigt. Am Ende dieser Straße links geht es direkt auf die „Piazza della Santissima Annunziata“, vor mir ragt die Kuppel des Domes in den Himmel. Ich sehe ein Hotel, nehme ein Zimmer.

 

Florenz ist von Touristen übervölkert, ist zum internationalen Stadtmuseum ver-kommen, ich fühle mich beengt, wie am Samstagmittag am Stachus in München, vor den Kirchen, den Museen endlose Warteschlangen. Ich bummele durch die Straßen, die größten Ansammlungen vermeidend, natürlich muss ich über den Domplatz, die Piazza della Signoria, am Palazzo Vecchio vorbei und über die Ponte Vecchio zum Palazzo Pitti. Überall werden horrende Eintrittsgelder verlangt, sich für einen Moment der Besinnung in eine Kirche zu setzen, ist bei Gebühren von 10 Euro und mehr nicht zumutbar. Vor den Uffizien stehen wohl 1.000 Menschen an, Japaner, Amerikaner; erschrocken suche ich das Weite, es ist kaum möglich, irgendwo entlang zu gehen, ohne jemandem ins Bild zu laufen, der gerade eine der unzähligen Sehenswürdigkeiten mit Frau, Freundin, Freund, Kindern oder Hund im Vordergrund fotografiert.

 

So bleibe ich auf grobem Quaderpflaster in den abgelegenen Straßen zwischen alten Hausmauern, erinnere mich an den Winter vor 30 Jahren, als ich das letzte Mal hier war, nur wenige Touristen und ohne Eintrittsgelder für die Kirchen.

 

Das Abendessen ist natürlich enttäuschend, wie soll es bei dieser touristischen Nachfrage auch anders sein, nicht einmal eine Pizza entspricht gewöhnlichstem Standard.