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Etappe 3: Genf - Le-Puy-enVelay 361 km

Veröffentlicht am 11.06.2012

 

Karten Etappe 3: Genf - Le-Puy 

 

Fotos Etappe 3: Genf - Le-Puy

 

32. Tag           29.05.2012      Genf bis Col-du-Mont-Sion            25 km

 

In Genf überquere ich die Rhone auf der „Pont du Montblanc“, gehe hinter der Brücke hinauf in die Altstadt zur St. Pierre Kathedrale. In der Kirche eine Gruppe Japaner, sie sind laut wie auf einem Jahrmarkt, fotografieren sich gegenseitig, machen Gruppenfotos mit dem Altar im Hintergrund, mir kommt das unwürdig vor.

 

Ich bewundere die gotische Architektur der Kirche, besichtige noch die Makkabäer-Kapelle, hole mir einen Stempel für mein Pilgerbüchlein und verlasse den Ort des gedankenlosen Lärms. Die Muschelwegweiser leiten mich aus der Stadt, erst zwischen alten Häuserfronten hindurch, dann an modernen Mietkasernen vorbei über die Arvebrü-cke nach Carouge, einen Vorort Genfs. Gleich hinter der Arve gehe ich links, überschreite verschiedene Verkehrskreisel, bis ich am Ende der Straßenbahnlinie in die „Route de Drize“ abbiege und zwischen Mauern und alten Bäumen die Straße hinaufgehe. Vor einer Brücke über den Bach Drize ein Wegweiser für Wanderwege, der hinunter zum Bach führt, aber ohne Jakobsmuschel darauf. Ich konsultiere den Reiseführer, habe wohl eine Abzweigung übersehen, gehe hinunter zum Bach, folge ihm durch Auwälder, bis ich an einen Steg komme, der den Bach überbrückt, habe den Jakobsweg wiedergefunden. Ich passiere eine Schule, komme nach Saconnex-d´Arve, biege bei einem überdachten Brunnen und einer riesigen alten Zeder auf einen Fußsteig ab, der durch Wiesen zu einer Asphaltstraße führt. An einem großen Steinkreuz und ein paar Häusern vorbei marschiere ich auf dem Fuß- und Fahrradweg neben der Straße nach Compesières. Die alte Kirche und die wuchtige Malteserburg „Ancienne Commanderie de Compesières“ stehen abseits des Weges, am Friedhof der Kirche mache ich auf einer Bank Rast, habe noch einmal einen Rückblick auf Genf und die Bucht des Genfer Sees mit der Fontaine darin, die von hier gerade noch auszumachen ist.

 

Ich biege auf den Weg nach Charrot ab, gehe zwischen Gewächshäusern und einem Sportgelände hindurch, erreiche bei einem Steinkreuz das Dorf, verlasse es auf einem von alten Eichen gesäumten Weg, links steht vor dem Gebirgszug des „Massife du Salève“ der wuchtige Turm von Croix-de-Rozon. Ich komme an eine rot-weiß gestreifte Schranke, der einsamen Markierung der grünen Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich.

 

In Frankreich wird der Weg schlechter, steinig mit Asphaltresten, ich gehe bergauf, kreuze eine Asphaltstraße, einen Bahnübergang, komme an einem Industriepark vorbei auf eine Teerstraße in das Dorf Lathoy, überquere auf einer Brücke die Autobahn, auf der dichter Verkehr tost. Hinter der Autobahnbrücke wird der Weg zunehmend steinig, schlecht zu gehen, ich stolpere ihn entlang, bis ich das Dorf Neydens erreicht habe. In einem Tabac mache ich Pause, trinke eine Flasche Sprudelwasser. Jetzt geht es aufwärts, steil hinauf nach La Forge, dann links-rechts etwas verwirrend durch das Dorf Moisin nach Verrières. Hier führt ein Weg hinauf zu einem Wäldchen, dann geht es durch Wiesen zwischen Elektrozäunen auf einem matschigen und von Kühen verschissenen Pfad nach Beaumont, jetzt wieder auf Asphalt nach Jussy. Bei einer Rechtskurve verlasse ich die Hauptstraße, beinahe hätte ich den Wegweiser übersehen, und komme in einen alten Laubwald, gehe auf schönen Wegen bis zur „Chartreuse de Pomier“. Hier beginnt ein steiniger Weg, der in kurzen Wellen auf und ab zum höchsten Punkt der heutigen Etappe (840 m) ansteigt, zwischen Haselsträuchern und alten Bäumen einen Kiesweg erreicht, der endlich zum Friedhof von St.-Blaise hinabführt. Noch ein paar steile Meter auf einem Feldweg bergab, eine Asphaltstraße, die Hauptstraße am Col-du-Mont-Sion, das Hotel.

 

 

33. Tag           30.05.2012      Col-du-Mont-Sion bis Frangy                    21,5 km

 

In Col-du-Mont-Sion kreuze ich die stark befahrene Straße D1201, gehe dahinter einen steinigen Weg hinauf zum schlichten Holzkreuz „Croix-de-Vin“. Hier steht ein Weg-weiser, die Beschilderung des Jakobsweges zeigt links hinunter nach Charly, laut Führer soll ich jedoch geradeaus gehen. Ich vertraue dem Führer, komme bei einem kleinen Teich an eine Asphaltstraße, biege links ab und gehe einen Hohlweg hinunter nach Charly, treffe dort wieder auf den markierten Jakobsweg.

 

Es geht über steinige Feldwege und kleine Asphaltsträßchen an verträumten Dörfern vorbei durch großartige Landschaft, im Süden sind die hohen Berge der französischen Westalpen zu sehen, der Mont Blanc allerdings versteckt sich in Wolken.

 

Der Jakobsweg ist in Frankreich hervorragend markiert, ein Verlaufen fast unmöglich. So folge ich den Wegzeichen durch die Weiler Chez Gresat und La Motte. Ich muss durch einen Wald, morastige Pfützen nehmen manchmal die ganze Wegbreite ein, werden durch das Unterholz neben dem Pfad umgangen. Eine steinige Strecke bergab ist sehr mühsam, am Ende ein schattiges Mäuerchen, ich mache meine 10-km-Rast. Zwei Pilger, ein Pärchen, kommen vorbei, grüßen und wandern weiter, dann ein einzelner, der mich nach dem Weg fragt, und woher-wohin. Er läuft in Etappen, hat letztes Jahr die Schweiz passiert und will heuer bis Le-Puy. Ich warte ein Weilchen, gehe dann weiter, treffe die drei auf einer Bank bei einem Parkplatz am Waldrand wieder, neben der Müll, eine alte Fischdose und eine leere Plastiktüte, liegt. Sie brechen vor mir auf, ich warte, möchte ungestört allein weitergehen. Ein Franzose kommt mit seinem Auto, hält, setzt sich auf die Bank, ruft mir zu, ob ich nicht etwas vergessen hätte. Ich verneine. Und der Müll hier? ruft er. Der ist nicht von mir, rufe ich zurück. Er glaubt mir nicht.

 

Ich folge dem Weg durch den Wald, biege dann rechts ab und gehe unter einer Hoch-spannungsleitung entlang. Die Drähte knistern, mir ist nicht richtig wohl in meiner Haut, bin froh, als ich die Trasse verlassen kann. Ich erreiche eine Asphaltstraße, quere sie und gehe dahinter auf einer alten Bogenbrücke über den Bach Coquetière. Bald komme ich auf einen schmalen Feldweg, wandere ihn entlang. Ein Traktor mit einem riesigen Heuwender überholt, ich trete an den Straßenrand, lasse ihn passieren. Kurz vor Contamine-Sarzin biege ich ab, passiere eine Lourdesgrotte und erreiche das alte Dorf, durchquere es. Am Ortsausgang beruhigt ein km-Stein: noch 1826 km bis Santiago, ich biege auf einen furchtbar steinigen Weg ab, der steil hinunter zur Brücke über die Klamm des Flusses La Fornat führt, danach ein Grasweg durch Gärten hinter Häusern steil aufwärts nach Le Malpas, hinter dem Dorf auf schmalem Pfad unter einer Felswand hindurch. Kletterer hängen in der Wand, nutzen festangebrachte Sicherungshaken.

 

Endlich geht es bergab, durch Collonges am Gutshaus vorbei, dann, vor der Hauptstraße abbiegend zunächst auf einem Wiesenpfad, dahinter schattig an einem Knick entlang zu einem Kiesweg, der durch feuchte, grüne Auwälder nach Frangy führt. Nachtigallen singen in den Büschen, Knabenkrautorchideen blühen am Wegrand, vor mir trottet ein Fuchs über den Weg. Ich erreiche Frangy, gehe die Hauptstraße entlang, suche ein Hotel.

 

 

34. Tag           31.05.2012      Frangy bis Chanaz               34 km

 

Frangy verlasse ich auf der Hauptstraße, überquere den Fluss Les Usses auf der „Grand Pont“, einer imposanten steinernen Bogenbrücke, muss in einem engen Fußgängertunnel unter einer verkehrsreichen Straße hindurch, kreuze die D910 und gehe die D310 aufwärts Richtung Designy. Bald kommen Abschneider, mit denen ich die Serpentinen der Asphaltstraße abkürze, ich erreiche den Weg nach Champagne, werde auf einen Wiesen-pfad geleitet, auf dem ich das Dörfchen Champagne, das nichts mit dem französischen Schaumwein zu tun hat, erreiche.

 

Am Ende des Dorfes biege ich ab, der Feldweg ist mit einer Schnur versperrt, ein Bauer öffnet sie mir, ich gehe durch Ackerland aufwärts, ein Bach verläuft auf dem Weg, verwandelt ihn in ein Schlammfeld, ich kann aber auf die Wiese neben dem Pfad ausweichen. Vor mir hoppelt gemächlich ein Hase, aus einem nahegelegenen Wäldchen tönt wieder Nachtigallenschlag.

 

Ich komme an eine Asphaltstraße, folge ihr bis zum Weiler Tagny, kann dort die Teerstraße verlassen und durch Wald- und Buschland wandern, bis mich an einer Hecke eine steile Treppe wieder auf eine gepflasterte Straße bringt, der ich bis Vannecy folge. Hinter dem Ort überquere ich die Croasse, die unter der Brücke einen Wasserfall bildet, und gehe bis Designy, von dort weiter aufwärts durch Pelly bis Curty. Auf einer Bank mache ich meine 10-km-Rast.

 

Hinter Curty kann ich die Asphaltstraßen verlassen, durchquere einen Bach auf Tritt-steinen und habe einen freien Blick auf Seyssel und die Rhône tief unten im Tal. Es geht wieder auf Teerstraßen weiter durch das Dörfchen Prairod nach Vens d´en Haute, unter mir sehe ich das mächtige Schloss des Dorfes Vens. Auf einem schönen Hohlweg steige ich steil hinunter, gehe am Schloss vorbei durch das malerische Dorf, komme auf die Asphaltstraße zur „Pond de Fier“ über den gleichnamigen Fluss.

 

Hinter der Brücke biege ich rechts ab, wandere durch einen ausgedehnten Freizeitpark bis ich bei einem Wehr im Fluss die Rhone erreiche. Auf zunächst einem Kiesweg, dann einem Weg durch Auwald gehe ich am Fluss entlang, um ihn aber schon bald auf einem supersteilen Pfad zu verlassen und zu den drei Häusern von Langefan hinaufzusteigen.

 

An einem Weingarten vorbei komme ich auf einen Feldweg, der unterhalb der Hauptstraße durch naturbelassenen Bruchwald führt, muss dann doch ein paar Meter der Hauptstraße folgen, kann sie aber gleich wieder verlassen und durch Wald und Wiesen und den Weiler Iles, dann an einem Industriegebiet vorbei, Mathy zu erreichen

 

Hinter Mathy geht es auf einem schnurgeraden Kiesweg an der Rhône entlang, 10 km Mücken, schwüle Feuchtigkeit, Pappelplantagen. In La Loi komme ich an eine Steinmauer, gehe darauf ein paar holprige Schritte entlang, bis ich auf einem schmalen Pfad am Rhôneufer bin, unter der Betonbrücke „Pont de la Loi“, die hier in mächtigen Bögen die Rhône überquert, hindurchgehe. Es geht weiter auf einem unebenem Kiesweg, dann links durch Wald an einem kleinen Teich, dem „Étang Bleu“, entlang, auf einen Schotterweg, der neben dem Deich direkt nach Chanaz führt. In Chanaz passiere ich den Campingplatz und die Marina, überquere auf einer hohen hölzernen Bogenbrücke einen Kanal und bin im Dorfzentrum, finde in einer Pilgerunterkunft Quartier.

 

 

35. Tag           01.06.2012      Chanaz bis Yenne                17 km

 

In Chanaz gehe ich am Kanal entlang zum Bürgermeisteramt, steige ein kleines Sträßchen hoch und erreiche an der alten Ölmühle einen Stufenweg, der in ein Wäldchen hinauf führt. Bald erreiche ich eine Asphaltstraße, folge ihr an einer Auto- und Bootswerkstatt vorbei, biege kurz auf einen Kiesweg ab und bin wieder auf einer Teerstraße, die zum Weiler Le Polsat leitet. Rechts tun sich schöne Blicke in das Rhônetal mit dem Strom darin auf. An einer Kapelle vorbei wandere ich auf Kieswegen immer geradeaus, bis ich durch Vétrier hindurch Montagnin erreiche.

 

Ich durchquere den kleinen Ort, passiere auf einem schmalen Pfad zwei Häuser, muss über eine Bachbrücke in den Wald. Hinter dem Wald laufe ich an Pferdekoppeln und einem Weiher vorbei in den Weiler Puthods, wandere die zweispurige Straße nach Vraisin entlang und biege dort bei einer Marienstatue und einem Brunnen auf einen Feldweg ab. Neben dem Weg steht eine steinerne Bank. Ich mache Rast, genieße den Blick ins Tal und auf den Gebirgszug der „Dents de Chats“ hinter mir.

 

Es geht den Berg hinunter, an einem Wäldchen vorbei und durch Weinberge zum „Château de la Mar“, einem Schloss in Barcontian, nahtlos schließt sich Almavigne an, in der Kirche gegenüber dem Bürgermeisteramt halte ich kurz, betrete die Kirche und trage mich in das dort ausliegende Pilgerbuch ein.

 

Zwischen weiteren Weinbergen hindurch geht es zur Straße D210, die Serpentinen werden durch Abschneider abgekürzt, ich erreiche Jongieux le Haute, durchquere das Dorf und biege 500 m dahinter auf einen Weg durch Rebenpflanzungen ab zur Kapelle Saint Romain. Dort bietet sich wieder ein wunderbarer Rundumblick in das Rhônetal und die umgebenden Berge.

 

Hinter der Kapelle fällt eine Felswand wohl 100 m senkrecht ab, auf einem steilen Pfad geht es durch dichten Wald und über zahlreiche Treppenstufen in Serpentinen an der Wand hinunter. Am Ende des Pfades muss ich an der Hauptstraße D921 entlang, biege aber sofort in das Dörfchen Lagnieu ab, das ich durchwandere, dahinter wieder zur Hauptstraße komme, sie überquere und zum Ufer der Rhône hinüberlaufe.

 

Im dichten, Vogelgesang erfüllten Galeriewald geht es am nahezu lautlos dahinfließenden, grauen Strom entlang bis zu einer kleinen Brücke, einem Park, dahinter eine Unterführung unter der Hauptstraße hindurch und ich bin in Yenne an der Kirche.

 

 

36. Tag           02.06.2012      Yenne bis St. Genix              25 km

 

Ich verlasse Yenne, überquere auf einer Brücke den Bach „Le Flon“. Vor der Brücke ein Wegweiser, noch 1768 km bis Santiago, hinter der Brücke biege ich am Friedhof auf eine Seitenstraße ab, folge den Serpentinen bergauf, bis ein Kiesweg zur Kapelle „Notre Dame de la Montagne“ abzweigt.

 

Hier beginnt der Aufstieg, beängstigende 720 Höhenmeter müssen überwunden werden. Durch niedrigen Buschwald steige ich auf dem steinigen Pfad hinauf, an der Kapelle vorbei, zwischendurch immer wieder glatte Felsplatten, von Fußspuren, Karrenreifen und Regenwasser ausgeschliffen, erreiche den Aus-sichtspunkt „Pierre Châtel“. Hier bietet sich ein fantastischer Blick in das Rhônetal und auf die Forts Pierre Châtel und Le Bancs sowie das Schloss Virignin am gegenüberliegenden Berghang. Ich stapfe weiter bergauf, der Wald wird dichter, der Weg teilweise zu natürlichen Treppenstufen im weißen Kalkstein. Ich überhole einen Pilger, der jeden dritten Schritt rastet, sich den Schweiß von der Stirn wischt, gehe zügig vorbei, freue mich über meine gute Kondition. Wenig später werde ich von einem Jogger überholt, der federnden Schrittes bergauf stürmt, von Stein zu Stein springt. Das Hochgefühl zerplatzt wie eine Seifenblase.

 

Der Pfad wird zu einem zweispurigen Karrenweg, führt hoch über dem Tal flach am Steilhang entlang, bietet immer wieder großartige Ausblicke auf den türkisfarbenen Strom und das grüne Tal mit den umgebenden Bergen. Im dichten Wald erreiche ich die Jagd-hütte von Botozel, passiere sie und steige im dichten, mückenverseuchten Nadel- und Mischwald aufwärts. Ich biege zum Aussichtspunkt „Recorba“ ab, der, meiner Meinung nach, den schönsten Blick auf den Fluss bietet. Hinter dem Aussichtspunkt geht es noch 200 Meter aufwärts, bis der mit einem viereckigen Grenzstein gekennzeichnete höchste Punkt des Weges (840 m) erreicht ist. Der Aufstieg war dann doch leichter als erwartet!

 

Mühsam geht es steil bergab, ich verlasse den Wald, quere eine Asphaltstraße, Polizei-motorräder mit Blaulicht rauschen vorbei, sichern eine Gruppe Radrennfahrer. Der Weiler Le Borgey wird durchquert, bei einem steinernen Wegkreuz biege ich in einen Hohlweg ab, der mich durch Wald nach St.-Maurice-de-Rotherens bringt. Hinter St.-Maurice führt ein schmaler Pfad durch Wiesen steil abwärts, verläuft in Buschwald neben einem Bach, der einen tiefen Graben ausgespült hat, erreicht die D42 oberhalb der Straße und geht jetzt flach bis Malbuisson. Ein Pfad führt steil hinunter nach Grésin, in der dortigen Kirche liegt ein Pilgerbuch aus, ich trage mich ein, steige weiter hinab zur Landstraße D916, folge ihr ein paar Meter und biege auf eine schmale Asphaltstraße ab, gehe sie entlang, passiere Côte Envers. Auf einer Bank im Wald sitzt eine Frau, liest ein Buch, ihr kleines Mädchen übt auf einem rosa Kinderrad auf dem Waldweg Fahrradfahren. Hier muss ich links in den Wald und steige einen Hohlweg hinauf. Ein Rotkehlchen schmettert seine lange, immergleiche Liedstrophe, Insekten summen, ansonsten herrscht Stille.

 

Ich verlasse den Wald, gehe einen Wiesenweg hinunter zur Kapelle von Pigneux, dann auf dem Bürgersteig neben der Straße nach St.-Genix, durchquere den Ort, überschreite auf der Brücke den Fluss Guiers und erreiche mein Hotel.

 

 

37. Tag           03.06.2012      St. Genix bis Valencogne                 22 km

 

Ich gehe zurück zur Brücke über den Fluss Le Guier, biege davor auf den schnurgeraden Uferweg ab, der unter der knisternden Hochspannungsleitung an zwei kleinen Seen vorbeiführt, erreiche an seinem Ende, den Muschelwegweisern folgend, die Brücke über die Autobahn, überquere das brausende Verkehrsband, biege ab in einen kleinen Wald und erreiche das Schloss „Le Château Romagneau“.

 

Hinter Le Château überquere ich eine Hauptstraße und wandere durch Felder, Wiesen, Wälder und Auen durch hügeliges Land, durchquere die kleine, ruhige Ortschaft Le Nan, bis ich an einem Bauernhaus mit Scheune, beide aus ungebranntem Lehm erbaut, Bruyère erreiche. Ich folge hier der D142E, komme an eine Brücke mit durchkreuzter Muschel, bin also falsch. Nach kurzem Suchen finde ich den Abzweig, der über einen Bauernhof in Wiesen führt, kurz einen Hang ansteigt und wieder die D142E erreicht. In einem Dorf biege ich ab, in der Ferne sehe ich das nebelverhangene Val d´Isere.

 

Ich tappe Asphaltstraßen entlang, komme durch Verou, bin wieder auf einer Hauptstraße, gehe hinter dem Wall eines Rückhaltebeckens und einer Kläranlage noch einmal ein kurzes Stück auf einem Waldweg bergauf, kreuze die Eisenbahn und erreiche Les Abrets. Am Ortseingang thront das „Château de Colombier“ auf einem Hügel über dem Dorf.

 

Ich durchquere die Stadt, auf einem Kinderspielplatz steht eine Bank unter einer Zeder, etwas vermüllt: ich räume mit meinem Wanderstock die leeren Bierdosen und Zigaretten-schachteln in eine bereitstehende Mülltonne, raste.

 

Es beginnt zu tröpfeln, vorsichtshalber ziehe ich, als ich wieder aufbreche, meinen Regenumhang über, gehe am Friedhof vorbei auf einen Feldweg, schlurfe hinter einer romantischen Waldwiese eine Asphaltstraße steil aufwärts. Auf dem Hügel vor mir liegt verdeckt von Bäumen ein Château, bei dem ich abbiege, zu einem Bach steil hinunter gehe, auf der anderen Seite wieder aufsteigen muss. Es beginnt zu gießen, Wolken hüllen die Hügel ein, ich wandere im Nebel total isoliert im prasselnden Tropfenfall die Wege entlang, niemand begegnet mir, durchschreite im strömenden Regen kleine Bauerndörfer und erreiche Valencogne, sehe ein Restaurant, eine Pilgerherberge, biege ab, trete ein, bestelle ein Wasser und ein Glas Wein. Die Wirtin hat Besuch: Muttertag, Kinder lärmen die Verwandtschaft steht um Tische herum und trinkt. Ich werde kaum beachtet, friere in meinen feuchten Kleidern.

 

Schließlich verabschieden sich die Gäste, die Wirtin hat Zeit, zeigt mir mein Zimmer, mein Bett für die Nacht, Klo und Dusche. Ich bekomme ein Abendessen serviert, bin zufrieden, es hier so gut getroffen zu haben.

 

 

38. Tag           04.06.2012      Valencogne bis La-Côte-St.-André                        33,5 km

 

In Valencogne biege ich bei der Kirche ab, gehe eine kurze Asphaltstraße abwärts und dann auf Feldwegen und Wiesenpfaden bergauf, erreiche wieder Asphaltstraßen und folge ihnen bis in den Weiler Lambert.

 

Feldwege führen leicht ansteigend in Laubwald hinein, ich wandere zwischen Buchen und Edelkastanien, komme an Waldwiesen vorbei, es geht abwärts, der Wald endet, vor mir erstreckt sich ein weites Tal. Ich erreiche einen Weiler, eine Asphaltstraße an einem Teich vorbei, in dem lauthals Frösche quaken, eine enge Straße zur Kirche in der Stadt Le Pin.

 

Hinter Le Pin bin ich wieder im Wald, steige hinauf zum mit einer hohen Mauer einge-friedeten Kloster „Chartreuse de la Sylve Bénite“. Vor der Klostermauer ein Aussichts-punkt, ein schöner Blick ins Tal und auf den See „Lac de Paladru“.

 

Der Weg taucht wieder in Wald ein, geht steinig bergab zum Dorf Blaune. Auf Asphalt-straßen zwischen Feldern, Wiesen und Hügeln hindurch, die Gerste wird schon gelb, an den Feldrainen blüht roter Klatschmohn, umgehe ich den mit drei Kreuzen geschmückten Hügel „Calvaire du Molard Rond“, biege auf einen Feldweg ab, erreiche einige Häuser des Weilers Quétan. Ein Tunnel führt unter der Autobahn hindurch, dahinter der Ortskern Quétans, romantische alte Häuser aus Feldsteinen gemauert.

 

Von Quétan führt eine grauenhafte Steinpiste bergauf bis zu einem Bauernhof, danach verwandelt sich die Piste in einen Waldweg, der vom Regen der gestrigen Nacht tief durchweicht ist, ich stapfe durch den Schlamm bis zur Hügelkuppe, dort beginnt zum Glück eine Asphaltstraße, auf der ich bergab ausschreiten kann, bei einem weiteren Bauernhof wieder einen unbefestigten Weg erreiche, der steil und rutschig hinunter nach Le Grand-Lemps abfällt. Dort folge ich auf dem Bürgersteig der Straße D73, gehe unter der Eisenbahn hindurch und biege rechts ab. Le Grand-Lemps wird nur kurz berührt, der Stadtkern bleibt links liegen.

 

Eine gerade Asphaltstraße, begleitet von einem Bach, bringt mich die nächsten drei km durch kleine Dörfchen, Felder und Wiesen nach Westen, dann ein kurzes Stück Feldweg und wieder schmale Teerstraße.

 

Vor der Kirche in La Frette biege ich ab, gehe durch eine Allee auf das Schloss zu, an der Schlossmauer entlang, dann in ein Tal hinunter, folge dem Weg bis St-Hilaire-de-la-Côte. Die alte Kirche im Ort ist leider verschlossen. Auf Feldwegen geht es weiter, direkt auf das hässliche Château Montgontier zu, neben dem Schloss auf einem Pfad steil bergab, dann wieder auf Asphalt bergauf zum Schloss Château Pointière. Hoch am Berghang sehe ich die kleine Kapelle „Notre-Dame-du-Mont“, ich bleibe unten auf der Straße, komme an den Stationen III, II und I des Kreuzweges der Kapelle vorbei, erreiche die Kirche von Ferme-Normand, biege hinter dem Friedhof ab und darf noch einmal einen Feldweg bergauf laufen bis ich La-Côte-St.-André erreiche.

 

Vor mir liegt das massige „Château Luis XI“, vor dem Eingang des Schlosses führt eine Treppe steil hinunter durch einen kleinen Park, durch Hinterhöfe alter Häuser, Tor-einfahrten bis zur hölzernen Markthalle, dann auf schmaler Straße bis zur Place-St-André im Zentrum der Stadt.

 

 

39. Tag           05.06.2012      La-Côte-St-André bis Revel-Tourdan                   22 km

 

Aus La-Côte-St-André geht es auf Asphaltstraßen hinaus, ich kreuze die vielbefahrene D518A, folge der Teerstraße bis zum Friedhof, erreiche die Hauptstraße wieder und biege jetzt endgültig nach Westen ab. Einen steinigen Hohlweg geht es hinauf, von den Regen-fällen der letzten Tage ausgewaschen, dann wieder befestigte Wege in das Dorf Ornacieux hinein. Ich gehe an der Kirche vorbei, biege beim Waschplatz mit schlammig grünem Wasser ab, folge Asphaltsträßchen und Wegen durch Hügel und Felder, die von Mohnblumen gesäumt sind, bis zu einem Bauernhof, erreiche einen Wiesenweg in den Wald hinein.

 

In dem dichtem, uralten Kastanienwald, die knorrigen Bäume sind zum Teil abgestorben und mit neuen Trieben überwuchert, gehe ich einen breiten Hohlweg abwärts, ich sehe keine Jakobsmuscheln mehr, habe mich verlaufen! Soll ich umkehren? Den Weg bergauf zurücklaufen? Ich gehe weiter, komme an eine Hauptstraße, biege Richtung Westen ab. Nach kurzer Strecke sehe ich einen Wanderwegweiser nach Faramans, ich folge ihm, habe nach einem Kilometer die Jakobsmuschel wiedergefunden.

 

Am Sportgelände vorbei erreiche ich den See „Étang du Marais“, einen Stausee neben einem Bach, gehe durch Bruchwald. Direkt neben mir schmettert eine Nachtigall ihre immer neuen Strophen. Der Weg erreicht einen geschlossenen öffentlichen Waschplatz, biegt ab in die Stadt und passiert sie bei einem Wochenmarkt. Ich betrete eine Bäckerei, kaufe eine Rosinenschnecke und Schokoriegel. Bald habe ich 1000 km gelaufen!

 

Am Stadtausgang ist es soweit, mein Kilometerzähler zeigt 999,99 km an, springt auf die 1000. Bei einem hölzernen Jakobswegweiser setze ich mich an die Straßenböschung, feiere das Ereignis mit der Schnecke, dem Schokoriegel und einer Flasche Wasser. Weiter geht es auf einem Kiessträßchen, das um ein mit einer Hecke geschütztes Grundstück herumführt, in einen Knick abbiegt und den Hügel nach Pommier-de-Beaurepaire hinaufführt. Ich trete in die uralte, aus Kopfsteinen gemauerte Kirche mit den bunten Glasfenstern ein, setze mich für einen Moment der Besinnung.

 

Weitergehend erreiche ich einen Wassertank, auf dem ein Aussichtspunkt eingerichtet ist. Halbkreisförmig zeigt eine Tafel die umliegenden Berge und Dörfer an. Ich glaube in der Ferne den Mont Blanc ausmachen zu können, oder sind das doch nur Wolken? Der Weg geht am Hang weiter, mit Blick in die weite Ebene durch Felder und Wiesen, ein kurzer Abstecher in einen Wald, dann ein Asphaltsträßchen, eine Pferdekoppel mit einem Schimmel und zwei Braunen, dazwischen ein Esel. Rechts der rot-weiß gestreifte Funkturm von Primarette, der Weg senkt sich zwischen alten Bäumen, unvermittelt bin ich in Revel-Tourdan, gehe zwischen den mittelalterlich anmutenden Häusern hindurch zum Hotel.

 

 

40. Tag           06.06.2012      Revel-Tourdan bis Chavanay                     36 km

 

Ich habe beschlossen, die nördliche, kürzere Variante nach Chavanay zu nehmen, kaufe noch schnell ein paar Müsliriegel ein, um auf dem langen Weg ohne Einkehrmöglichkeit etwas zu essen zu haben und verlasse Revel-Tourdan. Es beginnt zu regnen. Auf Asphalt-sträßchen und Kieswegen erreiche ich den Bahndamm der TGV-Linie, biege davor nach Norden ab, muss durch ein Bachtal hindurch, bis ich in einer Unterführung die Bahn kreuzen kann. Neben mir donnern die Züge im 10-Minuten-Takt vorbei, links sehe ich das nebelverhangene breite Tal der Plaines de Bievre.

 

Hinter der Bahn geht es auf einer Asphaltstraße erst bergab, dann rechtsabbiegend einen Kiesweg aufwärts nach Moisson-sur-Dolon. Ich passiere das Dorf, am Waldrand steht ein Wasserturm, bei dem ich scharf nach links abbiege und einen Unterstand mit einem Trinkwasserhahn erreiche. Hier gabelt sich der Weg in die Normalroute und die Variante.

 

Es gießt in Strömen. Ich gehe die Variante, einen Lehmweg durch dichten Kastanien- und Buchenwald, weiche großen Pfützen aus. Ein paar Mal rutsche ich aus, kann einen Sturz gerade noch vermeiden. Endlich ein Teersträßchen, jetzt geht es zügig vorwärts, durch die verstreuten Häuser von L´Allemande hindurch neben einer Telefonleitung bergab zum Fluss Sanne, den ich auf der Brücke der Hauptstraße D46 überquere, dann wieder bergauf. Ein Teersträßchen durch endlose Ackerflächen, ein Kiesweg durch Wald. Es hat aufgehört zu regnen. Die Jakobsmuschelmarkierungen sind sehr spärlich angebracht, aber die gelben Punkte des Wanderweges leiten mich. An einer Kreuzung biegt der Wanderweg auf eine Teerstraße rechts ab, geradeaus durch ein gelbes X ausgekreuzt, aber keine Jakobs-muschel ist zu sehen.

 

Ich folge dem Wanderweg, gehe gemütlich bergab an ein paar Bauernhäuser vorbei, überall gelbe Punkte aber keine Jakobsmuschel mehr. Ich habe mich verlaufen. Auf einer Holzbohlenbrücke überquere ich den Fluss Varèze, komme in das große Dorf Vernioz. An einer Landkarte im Dorfzentrum orientiere ich mich, biege die nächste Möglichkeit links ab und gehe auf einem befestigten Wirtschaftsweg wieder den Berg hinauf, durch Wald zwischen ein paar Bauernhäusern hindurch. Ich erreiche einen Weg, der wieder mit Jakobsmuscheln markiert ist, folge ihm zum Rastplatz Le Grand Chêne.

 

Durch Kastanienwald führt ein steiniger Hohlwegen hinab nach Assieu, ich habe die Hügel verlassen, komme jetzt flach durch Wiesen und Getreidefelder unter Hochspannungsleitungen hindurch nach Auberive-sur-Varèze, werde um das Dorf herumgeleitet und gehe weiter nach Clonas-sur-Varèze. Vor mir die Berge der Pilats, die ich morgen hinaufsteigen muss, im Tal die beiden Blöcke eines Atomkraftwerkes.

 

Ich kreuze die vielbefahrene Hauptstraße D4, laufe durch Felder auf den Damm der D37B zu, klettere die Böschung hinauf und gehe hinter der Leitplanke die Straße entlang, überquere auf der Brücke die Eisenbahn. Hinter den Bahngleisen darf ich die Straße verlassen, wandere auf Wirtschaftswegen bis zur Rhône, komme wieder an die D37B, die auf einer langen Brücke den breiten Fluss überquert. Ich gehe auf dem schmalen Bürgersteig, neben mir donnert der Verkehr, unter mir strömt die Rhône grau-grün nach Süden. Am Ende der Brücke Chavanay, die Hauptstraße an der Eisenbahn bringt mich zu einem Hotel, dort ist alles besetzt, aber gegenüber finde ich ein einfaches Zimmer.


 

41. Tag           07.06.2012      Chavanay bis Bourg Argental                    28,5 km

 

Ich verlasse Chavanay, gehe am Schwimmbad vorbei, das in die alte Stadtmauer integriert ist, finde Jakobsweg-Wegweiser und steige zur Kapelle du Calvaire hinauf. Bei der Kapelle steht eine Pilgerin, die sich gerade zum Pipi-Machen hinhocken wollte und erschreckt aufschreit, als sie mich sieht, wohl dachte, mutterseelenallein zu sein. Sie ist Schweizerin, pilgert weiter, ich gehe in die Kapelle, verweile dann ein wenig, von hier oben hat man einen wunderbaren Ausblick auf Chavanay und die Rhône.

 

Im weiteren Verlauf wechseln sich Feldwege immer wieder mit Asphaltstraßen ab, es geht stetig bergauf, zwischen Weinbergen und Obstplantagen hindurch. Schnell habe ich die Schweizerin wieder eingeholt, die mir erzählt, dass sie sich gestern verlaufen hätte und deswegen an jeder Abzweigung die Hinweisschilder kontrolliere. Ich sage ihr, dass beim Pilgern die Ruhe die Kraft gibt und man nur zwei-drei Lichtmaste oder Hausecken vorausschauen muss, um eine Muschel oder ein weiß-rotes GR-Zeichen zu sehen, das den weiteren Weg markiert. Aufwärts bin ich schneller als sie, auf ebenen Strecken holt sie mich immer wieder ein, sie nervt durch ihr ewiges Geplapper.

 

Ein starker, feuchtwarmer Sturm weht aus Süden, bläst Wolken gegen die Berge. Ich kämpfe gegen den Wind an, abwechslungsreich geht es hinauf, durch alte Dörfer, die Häuser aus behauenen Steinquadern gemauert, nicht mehr aus Kopfsteinen, wie auf der anderen Seite der Rhône im Department Isère.

 

Ich komme nach Bessey, kehre kurz in die Kirche ein, steige auf nach Goëly. Ein Wegweiser verkündet: noch 1624 km bis Santiago! Die Weiler, die ich durchwandere sind zahlreich und die Landschaft ist von den Ausläufern der nahen Berge bestimmt. Die Obstplantagen machen Getreidefeldern und Wiesen Platz, ich komme auf eine Hauptstraße, muss sie bergauf wandern, bis vor einer S-Kurve der Weg nach Le Villon abzweigt. Bei einer Bachbrücke stehen die romantisch aussehenden, zu Ruinen zerfallenen Gebäude einer alten Fabrik, die wohl die Wasserkraft nutzte, in Le Villon eine etwas verwirrende spärliche Beschilderung, dann geht es geradeaus, hoch über dem Tal in ein Dorf, das Teil von St-Appolinard ist. Anschließend steige ich auf einem schlammigen Weg steil aufwärts, an einem Bauernhaus vorbei, auf alten und in ihrem ursprünglichen Zustand belassenen, das heißt grauenhaft steinigen Wirtschafts-wegen, zum „Croix-de-St.-Blandine“. An einem Picknickplatz mache ich Trinkpause, die Schweizerin ist endgültig zurückgeblieben.

 

Ein steiler Abstieg zu den Gebäuden von Combe Noir, die schön restauriert sind, eine Treppe hinunter, auf einem Wiesenpfad zu ein paar Häusern, die schon zu St-Julien-Molin-Molette gehören, noch einmal kurz bergauf, dann hinunter in die alte Stadt. Ich besuche die Kirche Saint-Julien, steige danach einen steinigen Pfad hinauf zum Dörfchen Lampony, biege ab, über ein Teersträßchen zum Pass „Col-du-Banchette“ (680 m), über-quere dort die Hauptstraße und gehe einen Kiesweg hinunter nach Bourg-Argental. Beim Campingplatz kreuze ich den Fluss Déôme, gehe einen baumgesäumten Wiesenweg entlang und muss dann noch einmal eine Holzbohlentreppe hinaufsteigen, bis ich, an der alten Mühle vorbei, das Stadtzentrum erreiche. In den Bergen grummelt ein Gewitter.


 

42. Tag           08.06.2012      Bourg Argental bis Montfaucon-en-Velay                        37 km

 

Es gießt in Strömen, ich bin trotz des Regenumhangs sofort durchnässt, warte den schlimmsten Schauer erst einmal unter der Markise eines Blumenladens ab, gehe dann an der Kirche vorbei die D503 entlang, bis ich nach einem Kilometer Strecke von der verkehrsreichen Straße links abbiegen kann.

 

Vor ein paar Häusern soll rechts ein Weg abzweigen, ich finde nur einen mit hohem Gras bestandenen Pfad, der im dichten Regen kaum zu sehen ist, weit und breit keine hilfreiche Jakobsmuschel, dahinter biegt die GR42-Alternative ab: ist die gemeint? Ich nehme den GR42, steige stetig aufwärts, komme unter einer tunnelartigen Brücke hindurch, gehört die zu der ehemaligen Eisenbahnlinie, die im Führer beschrieben ist? Ich vertraue den weiß-roten Zeichen des GR, klettere in einem Bachbett aufwärts, das ohne Regen vielleicht ein Weg gewesen wäre. An einem Pfahl hängt die Werbung für eine Gîte in Montfaucon - bin ich richtig, obwohl ich seit dem Abzweig keine Jakobsmuschel mehr als Wegweiser gesehen habe?

 

An einem Bauernhof vorbei erreiche ich eine Asphaltstraße, die D22, die sich schön durch den Wald am Berghang entlang schwingt. Ich war also falsch, hätte den Graspfad nehmen sollen, folge jetzt, die rot-weißen GR-Zeichen ignorierend, der D22 bis zum Dörfchen La Gare, habe aber kaum mehr als einen Kilometer Umweg gemacht.

 

Der Regen hat endlich aufgehört, in La Gare biege ich auf den „offiziellen“ Jakobsweg ab, folge einer ehemaligen Eisenbahntrasse, bis ich links in die Berge abzweigen muss. Was folgt sind zwei Stunden Waldeinsamkeit auf breiten, gekiesten Forstwegen zwischen alten Bäumen hindurch. Es geht stetig aufwärts, bei dem Punkt Le Tracol kurze Verwirrung, der Pass „Col de la Tracol“ ist 400 m entfernt, aber nicht mit dem Punkt identisch. Ich biege links ab, finde etwas versteckt eine Jakobsmuschel, die mir zeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich erreiche den höchsten Punkt auf 1205 m Höhe, eine flache Kuppe, unspektakulär bei einer sumpfigen Lichtung im Wald.

 

Gleich hinter dem Scheitelpunkt des Weges endet der Wald, durch Getreidefelder und Wiesen erreiche ich Les Sètoux, ein Dörfchen aus alten Häusern, kalt und einsam. Ich kehre in ein Café ein, dem einzigen im Ort, esse ein Sandwich. Die Wirtin fragt, ob ich übernachten möchte, nein, sage ich, ich will weiter nach Montfaucon.

 

Auf breitem Kiesweg geht es hinab, in der Ferne sehe ich die Vulkanlandschaft des Velay, ich kreuze zwei Bäche auf zwei aufeinanderfolgenden Bogenbrücken, steige wieder hinauf nach Coirolles, gehe hinunter zu einem Bach, umgehe V-förmig einen kleinen Teich, steige im Wald auf und muss wieder abwärts zum Dörfchen Étienety. Irgendwo habe ich einen Wegweiser übersehen, gehe einen Steilhang an einer Klippe abwärts und bin bei einem Bauernhof an der Straße D44, folge dieser Richtung Westen, bis der „offiziellen“ Jakobsweg einmündet, ich wieder auf dem bezeichneten Pfad bin. Ich biege links ab, zum Bach St-Julien, der sich durch den Regen des Morgens weit verbreitert und sowohl Wege wie Schotterpisten in sein Flussbett einbezogen hat. Ich umgehe die überfluteten Gebiete auf Wiesenpfaden, steige dann einen ausgewaschenen Hohlweg im Wald bergauf, bis ich offenes Weideland erreiche. Noch ein paar Hügel, einige Gehöfte aus Felssteinen gemauert, auf Teerstraßen erreiche ich, ein Industriegebiet passierend, Montfaucon-en-Velay.


 

43. Tag           09.06.2012      Montfaucon bis St.-Jeures               21 km

 

In Montfaucon gehe ich noch in die Kapelle Notre-Dame, in der ein „Zyklus der zwölf Monate“ des flämischen Malers Abel Grimmer ausgestellt ist. Ich verlasse die Stadt, wandere auf Teersträßchen und Schotterwegen durch grüne, hügelige Landschaft mit Wäldern und Wiesen, auf denen Kühe grasen, und die, gäbe es nicht aus behauenen wuchtigen Steinquadern gemauerte Häuser, die vor alten Vulkanen stehen, auch im Allgäu hätte sein können.

 

Mehrfach kreuze ich die Gleise der Museumsbahn, achte, nachdem ich gestern einmal den Weg verloren hatte, peinlich genau auf die Markierungszeichen mit den Jakobsmuscheln, passiere die Dörfer Les Olmes und La Brosse. Ich komme mitten in der Landschaft an einer Müllkippe vorbei, Milane, Kolkraben und Krähen streiten sich laut lärmend um die Leckerbissen, die sie im Abfall finden.

 

Bei der Gîte d´Étape „La Petit Papeteri”, einer ehemaligen Papierfabrik, komme ich an den Fluss Lignon. Eine Asphaltstraße führt am Fluss entlang, verlässt ihn wieder, erklimmt einen Hügel und erreicht zwischen grauen Steinquaderhäusern die alte Stadt Tence.

 

Auf dem ausgestorben wirkenden Platz im Zentrum mache ich Trinkpause, esse ein Müsliriegel. Durch die Gassen der Altstadt geht es hinunter zum Fluss Lignon, ich quere ihn, neben der steinernen Bogenbrücke für den Autoverkehr, auf einem Steg, um dann flussaufwärts an Sportanlagen und Parkbänken vorbei die Hauptstraße D103 zu erreichen, sie bei der nächsten Abzweigung zu verlassen und bergauf ins Land hineinzuwandern. Ich durchquere Wälder, Wiesen, gehe über eine Bachbrücke. Links thront an einem Hang das Château Joux, von Bäumen dicht umstanden, auf einer Asphaltstraße laufe ich durch eine Allee aus alten Eichen darauf zu, biege aber vor dem Schloss ab und erreiche auf einer schmalen Teerstraße wieder offenes Land.

 

Vor dem Dorf Les Gouttes verlasse ich die Straße, gehe am Waldrand entlang, dann abwärts auf einem mit gelbblühendem Ginster gesäumten Pfad nach Pouzols. In einer Steinmauer steht in einer Nische eine kleine St. Jakob-Statue.

 

Es geht hinab in das Tal von Les Moulins, urwüchsige Häuser stehen in urwüchsiger Landschaft, in Les Moulins überquere ich auf einer Brücke den Fluss Mousse. Anschlie-ßend geht es mühsam bergauf, vor mir taucht die alte Kirche von St-Jeures auf. Ein Bauer verteilt mit einem Sprühwagen Gülle auf einer frisch gemähten Wiese, es stinkt erbärmlich.

 

Am „Croix de Couvet“, einem verwitterten, alten, steinernen Kruzifix vorbei, dem irgend-ein Narr mit Filzstift eine Friedensrune auf das INRI-Schild gemalt hat, steige ich hinauf nach Saint-Jeures, das auf 1.050 Metern Höhe liegt, erreiche die frühgotische St-Georges Kirche, den Dorfplatz, das mittelalterlich anmutende Dorf.

 

Ich übernachte in einem Chambre d´Hôte, beim Abendessen unterhalte ich mich mit der netten Wirtin in einem wunderlichen Gemisch aus Englisch und Französisch über Tagespolitik, Sarkozy, Hollande und Marie Le Pen.


 

44. Tag           10.06.2012      St. Jeures bis St.-Julien-Chapteul               18,5 km

 

Ich verlasse Saint-Jeures auf der Straße Richtung Araules, kann bald von der Asphalt-straße abbiegen und über einen schlammigen Feldweg nach La Rochette gehen. Zurückblickend habe ich eine schöne Sicht auf die alten Vulkane „Suc du Mounier“ und „Pic du Lizieux“.

 

Ich erreiche wieder eine Teerstraße, überschreite auf deren Brücke einen Bach und komme an ein stinkendes Klärwerk, verlasse die Straße auf einem Feldweg bergauf Richtung Araules. Das Dorf liegt romantisch zwischen den Felsen, die alte Kirche unter einem hochaufragenden Basaltkegel, aber davor ein unpassendes gelbes Fabrikgebäude.

 

Hinter Araules beginnt wieder ein Feldweg, ich durchquere darauf den Weiler Piallvialles. Die alten Bauernhäuser sind mehrheitlich renoviert und zu Sommerhäusern der Städter aus St. Etienne umfunktioniert, machen aber einen geschmackvoll gepflegten Eindruck. Ich biege auf einen Hohlweg ab, gehe hinauf in den Wald, erreiche die breite Straße D18, die ich aufwärts tappe. Nach ein paar hundert Metern verlasse ich sie, gehe auf einen sumpfigen Waldweg, der parallel zur Straße zum Wegweiser „Les Cuatro Routes” führt und komme zum höchsten Punkt des Weges im Gebirgszug Massif de Meygal auf 1.276 m. Ein ginstergesäumter Pfad bringt mich wieder an die Straße, durch die paar Häuser von Raffy steige ich ab, habe einen überwältigenden Ausblick auf das Tal vor mir.

 

Nun geht es hinunter, zurück auf etwa 1.000 m Höhe. Bald kommt Queyrières in Sicht, das sehenswerte Basaltorgeln und ein Burgruine aufweist und malerisch unter dem Basalt-felsen liegt, noch vor dem Ortseingang biege ich ab, gehe die Asphaltstraße weiter abwärts.

 

Bei einem sehr alten Steinkreuz mit einer rudimentären Christusfigur führt ein steiler Pfad von der Teerstraße hinunter nach Monedeyres, ein für die Gegend typisches Dorf aus grauen Steinquaderhäusern und einer rustikalen Kapelle, die leider geschlossen ist. Dahinter ein alter Weg bergab, auf unregelmäßigen Pflastersteinen, die von Wasser überspült werden, stolpere ich im Wald hinunter zur Moulin de Gouérin, der Ruine einer alten Mühle, überquere dort auf einer zweifelhaften Steinbogenbrücke den Fluss Sumène und gehe einen ebenfalls grob gepflasterten Hohlweg hinauf, der mehr einem Bach als einer Straße gleicht. Gibt es hier nichts anders, als altes, wasserüberspültes Kopfstein-pflaster? Ja, gibt es, gleich folgen schlammige, pitschnasse Wiesenwege, die mit Kuh-fladen verdreckt sind. Endlich erreiche ich bei La Chapuze eine Asphaltstraße, die sich bequem bis St-Julien gehen last, dafür aber beginnt es zu regnen, so dass ich leise fluchend meinen Regenschutz überwerfe.

 

Die Hauptstraße entlanggehend komme ich nach Saint-Julien-Chapteuil, biege beim Bürgermeisteramt ab in die Stadt, an der kolossalen alten Kirche St. Julien vorbei, die majestätisch auf einem Hügel thront, eine von romantischen Steinquaderhäusern gesäumte Geschäftsstraße aufwärts zum Platz del Marche, finde mein vorreserviertes Hotel.

 

Es ist Sonntag, das bedeutet: Alle Restaurants haben abends geschlossen, mir bleibt zum Essen nur eine dubios anmutende Snack-Bar!

 

 

45. Tag           12.06.2012      St. Julien-Chapteul bis Le-Puy-en-Velay              20 km

 

Ich verlasse St-Julien auf der Hauptstraße D28, latsche das Asphaltband entlang, bis ich es auf einem Schotterweg ins Tal der Sumène verlassen kann. Der Weg leitet direkt in den Fluss, der nach den Regenfällen der letzten Tage viel Wasser führt, aber am Ufer gibt es einen Graspfad, der über eine Steg aus mehreren Betonpfählen das Wasser überbrückt.

 

Ich erreiche Eynac, das romantisch unter einem schön strukturierten Basaltfelsen liegt, gehe weiter über Tournecol nach Marnhac. Vor mir in der Ebene geht ein Regenschauer nieder, von der Sonne angestrahlt erscheint ein Regenbogen: „Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde“.

 

In Marnhac biege ich ab, auf einem Matschweg erreiche ich die Hauptstraße, in den Büschen singen wieder Nachtigallen, ich habe wirklich die Berge verlassen. Ein Tunnel führt unter der Hauptstraße hindurch, dahinter geht ein Kiesweg parallel zum Asphaltband, dem ich, die rot-weißen Markierungen beachtend, folge. Vor mir liegt St-Germain-Laprade mit dem beeindruckenden viereckigen Kirchturm, ich wandere auf das Dorf zu, werde komisch in wechselnden Richtungen hindurchgeleitet, bis ich vor dem Portal der Kirche stehe. Ich trete ein, uralte, düstere Romanik, nur die bunten Glasfenster geben ein wenig Licht.

 

Hinter dem Dorf steige ich auf zum Montjoie - das Foto im Reiseführer blendet gnädig die umgebenden lärmenden Schnellstraßen und Industriegebiete aus - ich habe tief unter mir den ersten Blick auf Le Puy.

 

Der Weg bringt mich an die Autobahn, bleibt auf Kiesstraßen neben der lärmenden Verkehrstrasse, in Kornfeldern blüht Mohn, Amseln singen, auch die Nachtigallen lassen sich vom Geräuschpegel nicht stören.

 

Ich erreiche die ersten Vororte von Le Puy, hinter einem Spielplatz gehe ich auf der alten Brücke „Pont de Chartreux“ über die Loire: wie viele französische Könige, Adlige, Bauern, Pilger mögen hier vor mir den Fluss überquert haben?

 

Hinter der Autobahnunterführung biege ich auf einen Wanderweg ab, überquere hinter einem Park auf einem Betonsteg, der bei Überflutung gesperrt ist, den Fluss Borne. Sind zwei Zentimeter Wasser über dem Steg Überflutung?

 

Ich erreiche die Steinbogenbrücke über die Borne, ignoriere den Führer und folge einfach der Straße ins Zentrum von Le-Puy. Vollbepackt folge ich den Wegweisern in die Oberstadt, stehe vor der Treppe, die zur Kathedrale hinaufführt, steige sie hoch und betrete das imposante Gebäude.

 

Minuten der Besinnung, in der Sakristei hole ich mir meinen Pilgerstempel, kaufe eine kleine silberne Jakobsmuschel für meinen Rucksack, um mich nach 1.100 km Weg als Jakobspilger auszuweisen.

 

Fotorundgang durch die Stadt, im Tourismusbüro lasse ich mir ein Hotel reservieren. Ich mache, nach Abschluss der dritten Etappe, einen Tag Erholungspause, bevor es weiter-geht, nach Santiago!