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Etappe 4: Le-Puy-en-Velay - Cahors 356 km

Veröffentlicht am 26.06.2012


Karten Etappe 4: Le-Puy bis Cahors 

  

Fotos Etappe 4: Le-Puy - Cahors

 

46. Tag           13.06.2012      Le-Puy-en-Velay bis Saint-Privat-d`Allier                        24,5 km

 

Frühmorgens gehe ich zur Pilgermesse in die Kathedrale, möchte eigentlich nur sehen, wie viele Pilger sich dort einfinden, um die nächste Etappe des Jakobsweges zu beginnen. Es sind wohl über hundert, ein junger Priester gestaltet den Gottesdienst sehr ansprechend, spricht in wunderschönem melodischem Französisch, zelebriert das Abendmahl, an dem ich aber nicht teilnehme. Nach dem Gottesdienst versammeln sich die Pilger bei der Jakobsfigur in der Kirche, der Priester fordert Pilger auf, sich vorzustellen, natürlich auch mich, verabschiedet mich anschließend persönlich auf den Weg, ich muss ihm besonders aufgefallen sein.

 

Ich verlasse Le-Puy von der  „Place du Pol“, gehe auf die „Rue St-Jaques“, den Beginn des Jakobsweges in Le-Puy. Oben an einer Hauswand finde ich eine Jakobsmuschel, einen Wegweiser (1511 km bis Santiago) und eine Holzrelief des Heiligen Jakobus.

 

Schnell geht es bergauf, an einer schlossartigen Villa vorbei, ein paar Treppenstufen schneiden eine Serpentine der Straße ab, dann bin ich auf dem Hochplateau des Velay, gehe auf Schotterstraßen und steinigen Wegen bis La Roche, durchquere auf der Teerstraße den Ort, bis ein Pfad abzweigt, der am oberen Rand einer Schlucht entlangführt, die Schlucht verlässt und durch einen kleinen Wald bis Saint-Christoph-sur-Dolaison leitet. Mitten in diesem Ort steht eine uralte Kirche, die aus brauroten Vulkansteinen gemauert ist.

 

Hinter der Kirche quere ich in einer Unterführung die vielbefahrene Straße D906, gleich dahinter erreiche ich Tallode. Immer leicht aufsteigend geht es durch die Weiler Liac und Lic, dann durch kahles, steiniges Land mit verstreuten Feldern da-zwischen, über Ramourouscle an der Kapelle Saint-Roch vorbei nach Montbonnet. In der Kapelle möchte ich das Pilgerbuch lesen, stelle fest, dass ich irgendwo auf dem Weg meine Lesebrille verloren habe. Umkehren und suchen kommt nicht in Frage, ich bin schon 18 km gewandert. Im Reiseführer prüfe ich, wann ein nächster größerer Ort kommt, in dem ich einen neue kaufen kann: morgen in Saugues hoffentlich.

 

Ein roter Weg aus Vulkansand und -steinen führt zu einem Wald hinauf, immer wieder überhole ich Pilger oder werde von Pilgern überholt. Die Einsamkeit der ersten 1100 km ist vorüber.

 

Im Wald der zugewachsene See Lac de l´Œuf auf 1205 m Höhe, dahinter ein steiler Abstieg, erst über steinigen Feldweg, dann auf schottriger Asphaltstraße durch Wiesen und Felder, ein Bauer mäht mit seinem grünen Riesentraktor Gras, vor mir erscheinen die roten Dächer von Le Chier. Ich durchwandere das Dorf, dahinter geht es auf einem Pfad über Baumwurzeln und Steine steil hinunter nach St-Privat, dessen Burg und Kirche, nachdem ich eine Bachbrücke und eine alte Mühle passiert habe, auf einer Felsnase thronend vor mir liegen.


 

47. Tag           14.06.2012      Saint-Privat-d´Allier bis Saugues               20,5 km

 

Ich verlasse St-Privat auf der Straße, die gegenüber dem Hotel abzweigt, gehe den Berg hinauf, biege auf steinige Feldwege ab, komme durch den Weiler Combriaux. Im Tal des Flusses Allier hängen Nebelschwaden, von der Morgensonne angestrahlt. Zunächst auf einer Asphaltstraße, später auf Pfaden parallel dazu, laufe ich bis Rochegude. Der Turm der alten Burg und die Kapelle Saint-Jaques thronen auf einem Felsen über dem Dorf, ich steige hinauf, trete in die schlichte Kirche ein.

 

Hinter Rochegude muss ich steil hinab, auf einem Pfad durch Wald, über Wurzeln und grobe Granitblöcke komme ich nach Pratclaux, hier wird der Weg flacher, dafür morastiger, bis ich, wieder auf grobem Geröll, bergab zum Fluss Allier stolpere. Ein älterer französischer Wanderer überholt mich, flucht ständig vor sich hin, wie schlecht der Weg sei.

 

Ich erreiche das Flussufer, auf dem Fluss sind Jugend-liche in Schlauchbooten unterwegs, um durch die Stromschnellen des reißenden Wassers zu fahren, tragen rote Schwimmwesten und gelbe Schutzhelme. Der Pfad führt parallel zum Fluss, ich unterquere die Stahlbrücke der Eisenbahn, erreiche Monistrol. Dort kann ich die Allier auf einer Gitterbrücke, der „Pont Eiffel“, überqueren, gehe durch das alte Dorf und steige, zunächst auf einer Asphaltstraße, dann auf einem schmalem Pfad hoch über dem Steilufer, zur Kapelle Madelaine hinauf, die in eine Grotte in die Basaltfelsen hineingebaut, aber leider geschlossen ist. Hinter der Kapelle führen Holzstufen hinauf nach Escluzels, dann wird die Steigung flacher, über Teersträßchen und Wirtschaftswege, durch Wald, Felder, Wiesen und mit Granitblöcken übersätes Ödland wandere ich langsam hinauf in das Hochland der Margeride.

 

Am Waldrand, eine Gruppe französischer Pilger rastet dort gerade, kommt mir ein Schäferhund entgegen, eine streunende Hündin, die Welpen hat, ihr Gesäuge ist prall gefüllt, trottet, ohne uns zu beachten, vorbei. Ich sage, dass das offenbar die Bestie von Gévaudan sei, ernte Gelächter.

 

Die Weiler Montaure, Roziers und Le Vernet, wuchtige Bauernhäuser aus hellgrauen Granitsteinen gemauert, nicht mehr aus dunklem Vulkangestein wie auf dem Velay, werden, immer leicht aufwärts gehend, durchquert, mal auf Asphaltstraßen, dann wieder auf schlammigen Pfaden zwischen Weidezäunen und einzeln stehenden Kiefern, bis ich die Straße D589 kreuze und dahinter steil hinunter nach Saugues komme.

 

In Saugues finde ich gegenüber von meinem Hotel ein Optiker-Geschäft, ich kann mir eine neue Lesebrille kaufen und weiß wieder, was auf der Speisekarte steht. Santiago hat´s gerichtet!

 

 

48. Tag           15.06.2012      Saugues bis Saint-Alban-sur-Limagnole               32,5 km

 

Ich verlasse Saugues auf der Asphaltstraße Richtung Süden, biege bei einem Jakobsweg-Wegweiser auf einen Kiesweg ab und wandere über Le Pinet nach La Clauze. Schon von weitem sichtbar steht ein einsamer Burgfried aus dem 12. Jahrhundert mitten im Dorf, abenteuerlich auf einen schrägen Granitblock gebaut. Das Dorf selbst, die Häuser, wie hier üblich aus grauem Granit gebaut, verbreitet ländliche Idylle, Hühner gackern auf der Straße, gelegentlich bellt ein Hund oder brummt eine Kuh.

 

Von La Clauze wandere ich auf Teerstraßen weiter und erreiche Le Falzet, von dort auf einem breiten Kiesweg Le Villeret. Hinter dem Ort geht es bergab, auf einem Feldweg über den Fluss Virlange. Schilder warnen Angler eindeutig davor, dass es lebens-gefährlich ist, beim Auswerfen des Köders mit der nassen Angelschnur die Hoch-spannungsleitungen zu berühren, die hier das Land durchschneiden. Hinter der Fluss-brücke geht es ein kurzes Stück bergauf, dann sanft bergab in das Flusstal hinein. Bei einem Bauernhof biegt der Weg ab, führt, an Kornfeldern, Knicks und Wiesen vorbei, leicht bergauf bis Chazeaux. Hinter dem Dorf geht es immer weiter bergauf, auf einem Kiesweg durch knorrigen Kiefernwald, der in der Sonne angenehm nach Harz duftet, dann, hinter einem Gatter noch einmal steil aufwärts zum höchsten Punkt der heutigen Etappe auf 1310 m.

 

Der Weg senkt sich im Wald, erreicht eine große Lichtung, weiße Wege durchschneiden Wiesen, auf denen gelber Ginster, tiefviolette wilde Stiefmütterchen und weiße Osterglocken blühen, von Bergen und Wald umgeben. Vieh wird zur Tränke getrieben. Am Ende der Wiese die Domaine du Sauvage. Der Gutshof aus dem 13. Jahrhundert gehörte einst den Templern und ist heute im Besitz der öffentlichen Hand.

 

Ich umrunde die schön gelegenen Fischteiche des Gutes, durchquere Wald und erreiche am Pass „Col de l´Hospitalet“ die Straße D587, folge ihr bis zur Kapelle St-Roch. Vor der Kapelle sitzt eine Dame, die unbedingt einen Stempel in mein Pilgerbüchlein drücken will, dann fast vor Ehrfurcht erstarrt, als sie sieht, dass ich direkt von München hierher gelaufen bin.

 

Hinter der Kapelle erreiche ich das Department Lozère, die Straße wechselt ihren Namen in D987. Hier biegt ein Pfad ab, führt wieder durch duftenden Kiefernwald, dann weite Wiesen bergab, ein Bach wird auf einer Brücke aus massiven Steinplatten überquert, der Weg kreuzt ein paarmal die Straße, biegt, wieder im Wald, steinig links ab. Ich stolpere über einen Granitbrocken, stürze, rappele mich wieder auf, konnte den Sturz gut abfangen, es ist nichts passiert.

 

Ich erreiche hinter der D987 den Weiler Le Rouget, durchquere ihn, komme auf eine breite Schotterstraße, die direkt an die Vorstadthäuser von Saint-Alban führt.

 

Das Schloss der Apcher, das hoch über Saint-Alban-sur-Limagnole auf dem Hügel liegt, beherbergt schon seit 1821 eine psychiatrische Klinik. In Saint-Alban gibt es Mitte Juni einen Kongress der Psychiater, deswegen sind alle Hotels, Gîtes belegt. Nur mit Mühe und durch Anrufen aller Telefonnummern im Führer habe ich noch ein Bett ergattert, in einer einfachen Unterkunft, muss mir das Zimmer mit Besuchern des Kongresses teilen, aber dafür superbillig!


 

49. Tag           16.06.2012      Saint-Alban-sur-Limagnole bis Aumont-Aubrac             16,5 km

 

Ich verlasse Saint-Alban an der romanischen Kirche aus dem 11. Jahrhundert vorbei, gehe hinunter zur Hauptstraße D987, folge ihr auf dem Splittrandstreifen, bis ich kurz vor dem Campingplatz rechts in ein Wäldchen abbiegen kann. Ein Geländewagen überholt mich, wirbelt Staub auf, ich warte, bis der sich gelegt hat, gehe an einer zweifelhaften Autowerkstatt vorbei, in der Schrottautos wieder aufgemöbelt werden, komme durch Gracieres-Mages, ein altertümliches Dorf aus grauen Steinen gemauert. Ich passiere einen Hügel und steige hinab zum Fluss Limagnole, der sich in mehreren Rinnsalen durch das Tal schlängelt, Brücken führen hinüber.

 

Wieder aufwärts steigend erreiche ich anschließend Chabanes-Planes, muss dann eine lange gerade Asphaltstraße entlanglaufen und kann bei einem steinernen Wegkreuz in die Berge abbiegen. Der Weg ist durch eine große Pfütze blockiert, mich an kleinen Bäumen festhaltend, hangele ich an der Grasböschung daran vorbei, beseitige anschließend die durch Traktoren gebildeten Miniaturdämme, damit das Wasser abfließen kann. Ich beobachte eine Weile den Erfolg meiner Bemühung, kann aber das Schlussresultat nicht abwarten, ich muss ja weiter! Auf der Hochebene steht eine einsame Krüppelkiefer, in einem Astloch hat sich etwas Erde gesammelt, eine Eberesche wächst darin, Baum in Baum.

 

Steil rutsche ich auf Granitsteinen und schlüpfrigem Sand hinunter nach Les Estrets, kreuze die vielbefahrene N106 und erreiche die alte Steinbogenbrücke, die bei Bigose den Fluss Truyère überquert, die Grenze zwischen Margeride und Aubrac.

 

Hinter dem Fluss geht es wieder hinauf, durch Berge, die vom blühenden Ginster vergoldet sind, auf steinigem Pfad, mit Wurzel- und Granitfelstreppen. Rückblickend sehe ich die Berge der Margeride, der Weg führt zwischen Stacheldrahtzäunen, hinter denen die goldbraunen Aubrac-Rinder grasen, durch harzduftenden Kiefernwald. Ein Baum hat sich gesenkt, neigt sich zu einem Torbogen über den Pilgerweg. Es geht auf einer schnurgeraden Kiesstraße immer leicht bergauf bis zur Straße D7. Hier biege ich rechts ab, verlasse aber das Asphaltband gleich wieder, um zwischen Blumenwiesen und mageren Roggenfeldern eine Hügelkuppe zu übersteigen, hinter der die ersten Häuser von Aumont-Aubrac liegen. Neben der Straße führt ein steiniger Pfad in die alte Stadt hinunter, ich passiere die Kirche Saint-Etienne. Im alten, romanischen Gotteshaus übt eine Kindergruppe den Chor für den morgigen Sonntag.

 

Ich durchwandere das Zentrum, gehe dann noch weit durch die Stadt zum Bahnhof, in dessen Nähe ich mein Hotel reserviert habe.


 

50. Tag           17.06.2012      Aumont-Aubrac bis Nasbinals                   26 km

 

Ich verlasse Aumont-Aubrac am Kriegerdenkmal, passiere die Bahngleise in einer Unterführung und wandere auf einem asphaltierten Weg entlang der Eisenbahnlinie, bis ein Schotterweg in die Berge abzweigt.

 

Weit vor mir eine größere Gruppe Wanderer, die aber auf der Straße bleiben. Am Ende des Pfades erreiche ich wieder die Straße, bin jetzt mitten in der Wanderergruppe, die nur die Abkürzung verpasst hatte, ich fühle mich, als sei ich schon in Spanien auf dem Pilgerschnellweg kurz vor Santiago.

 

Wir erreichen eine Straße, biegen ab auf den Feldweg, der unter der Autobahn hindurch-führt und kommen durch Wald an die Teerstraße nach La Chaze-de-Peyre, der achteckige graue Kirchturm mit der hohen Spitze ist schon von weitem zu sehen. Die Gruppe besichtigt die Kirche, ich bin wieder allein, laufe die Straße nach Lasbros, erreiche dort die verkehrsreiche D987. Hinter dem Dorf aus schönen, alten Granithäusern, biege ich ab, wandere zwischen Wald, dürren Wiesen und kargen Roggenfeldern, erreiche eine schmale Teerstraße die nach Les-Quatre-Chemins, ein paar verstreuten Bauernhäusern, führt. Die Wandergruppe hat mich, nachdem ich eine Trinkpause gemacht habe, wieder eingeholt, hat sich in einzelne Grüppchen verteilt, ständig werde ich überholt, oder überhole einzelne Pilger. Ich fühle mich bedrängt.

 

In Les-Quatre-Chemins endet der Wald: urplötzlich stehe ich vor einer großen Einöde, baumloses welliges Grasland, durchsetzt mit Steinen und durchschnitten von Steinwällen und Stacheldrahtzäunen, erstreckt sich bis zum Horizont. Kleine Gruppen goldbrauner Kühe grasen dazwischen, jeweils begleitet von einem dunkler gefärbten Stier, der seinen Harem bewacht. Der Weg, ebenfalls von Steinwällen und Stacheldraht begrenzt, verläuft über das Hochland, Drahtgatter müssen geöffnet und geschlossen werden, hinter einer Hügelkuppe erreiche ich Finieyrols.

 

Nach dem Dorf geht es weiter über das baumlose Hochland, ich steige zum Gipfel des Berges La Colline auf, der die Landschaft nur um Weniges überragt, dahinter ab zu einer schmalen Asphaltstraße, überquere auf einer Brücke den Bach Peyrade und komme nach Rieutort-d´Aubrac. Im Dorf Mauern aus Granit, die Steine so behauen, das sie ohne Mörtel nahtlos ineinander passen.

 

Die schmale Asphaltstraße führt weiter über das grasbedeckte Hochland, neben ihr türmen sich Granitkegel auf, kommt zur schönen Steinbogenbrücke über den Fluss Bès. Hinter der Brücke wird es noch einmal steinig, ein holpriger Weg biegt ab und führt nach Montgros hinauf, dahinter genauso über Geröll hinunter. Zwischen ein paar Bäumen glänzen im Tal die grauen Dächer Nasbinals. Auf breiter Teerstraße wandere ich in das Dorf hinein, um die schöne romanische Kirche Notre-Dame-de-la-Carce herum zum Gasthaus La Route d´Argent, ebenfalls aus grauem Granit gebaut, meinem heutigen Tagesziel.

 

 

51. Tag           18.06.2012      Nasbinals bis St.-Chély-d´Aubrac              16,5 km

 

An der Kirche vorbei gehend verlasse ich Nasbinals auf der D987, biege bei ein paar Häusern am Ortsausgang auf eine kleine Asphaltstraße bergauf ab und komme in einen schönen Buchenwald. Es geht weiter aufwärts, der Wald bleibt zurück und ich erreiche wieder offenes Hochland, wandere zwischen Steinwällen und Stacheldrahtzäunen, durchquere Gruppen von Weidevieh. Gatter müssen geöffnet und wieder geschlossen, Bäche überquert und matschige Stellen umgangen werden. Kühe liegen auf dem Pfad, mit nicht ganz gutem Gefühl gehe ich durch die Herde, behalte den dunkelgefärbten Stier im Auge: eine Tonne Knochen und Muskeln mit Hörnern vorne dran flößen Respekt ein.

 

Eine breite Spur führt zwischen zwei Steinwällen zur Passhöhe hinauf, recht viele Pilger sind unterwegs, rückblickend sehe ich über die fast baumlosen Hügel des Aubrac-Hochlandes. Auf dem Pass in 1365 m Höhe springt mein Kilometerzähler auf 1300 km, vor mir die Dächer der Domerie d´Aubrac, von dem ehemaligen Kloster sind nur noch die Kirche und der „Tour des Anglaise“ erhalten. Schnell geht es hinunter, ich trete in die alte Kirche ein, setze mich einen Augenblick.

 

Beim Weitergehen verlaufe ich mich, es sollte die Straße D937 entlanggehen, ich bin aber auf der D533. Ich kehre um, zwei französische Pilgerinnen, die ich schon auf der Pass-höhe getroffen hatte, begegnen mir, ich frage sie, ob sie auch nach St-Chély möchten? Sie bejahen, ich erkläre ihnen meinen Fehler und dass sie falsch seien. Gemeinsam gehen wir zurück, nehmen in Aubrac die richtige Straße, finden den abzweigenden GR65 und steigen den Berg hinunter. Es geht auf matschigem Pfad durch Wald, auf steinigem Weg durch offenes Land, dann auf matschigem und steinigem Pfad sehr steil in ein Tal hinab. Bei einem großen Holzkreuz habe ich den ersten Blick auf die Kalksteinplateaus der Causses vor mir, die ich in den nächsten Tagen durchwandern werde.

 

Auf einem Basaltkegel stehen die kümmerlichen Ruinen der Burg Belvezet, ich umrunde sie, dahinter die fünf grauen Häuser des gleichnamigen Dorfes. In einem Knick geht es zwischen Hasel-sträuchern weiter bergab, schattig unter Bäumen bis zum wuchtigen Gebäude des Bauernhofes La Vayassière. Dahinter ein sehr steiler Abstieg zum Bach Aude, den ich bei einem kleinen Wasserfall auf einer Brücke überquere.

 

Ich erreiche eine Asphaltstraße, gehe sie abwärts, bis zum Ortsschild von Saint-Chély, das mit dem Stadtwappen geschmückt ist, in dem zwei Jakobsmuscheln, zwei Weberschiffchen, ein Malteserkreuz und eine Bischofsmütze zu finden sind.

 

Nach einer Serpentine stehe ich im Zentrum der kleinen Ortschaft, gehe noch hinunter zur Pilgerbrücke, trete in die Kirche ein. Im Kirchenschiff zwei Schwalben, die sich hier herein verirrt hatten, bei geschlossenem Portal keinen Ausweg finden. Ich öffne weit die Tür und trete in den Schatten, die Vögel nehmen sofort die Chance war, fliegen im Sturzflug über meinen Kopf hinweg ins Freie.

 

 

52. Tag           19.06.2012      St.-Chély bis Espalion                      23,5 km

 

Saint-Chély-d´Aubrac liegt am westlichen Rand des Zentralmassivs, ich verlasse den Ort über die Pilgerbrücke, im Schaft des Steinkreuzes auf dem mittleren Brückenpfeiler ist, verwittert und unter dem Flechtenbewuchs kaum zu erkennen, das Relief eines Pilgers eingemeißelt.

 

Ich steige auf zum Friedhof, quere darüber auf einen Kiesweg und erreiche eine Asphaltstraße, die durch Wald nach Süden führt. Aus dem Berg neben der Straße rauschen zahllose Bäche, die kleinen Wasserfälle sind mit Steinblöcken gesichert, das Wasser wird in Rohren unter dem Pflaster hindurchgeführt.

 

Bei den Häusern von Le Recours zweigt ein Weg ab, ein Mann liegt vor einer Scheune auf dem Boden, bastelt an einem kleinen, roten Notstromgenerator herum, der nicht starten will. Ich folge dem Weg, wandere zügig durch einen schönen Buchenwald, erreiche wieder die Straße und bin im Weiler Les Cambrassats. Ein Pfad verlässt die Straße, geht steinig bergauf, erreicht wieder Asphalt. Vor mir sind mehrere Pilgergruppen, die ich überhole.

 

Es geht rechts ab, steinig den Berg hinunter, ich komme in Wald, Kastanien und Buchen, verliere rasch Höhe. Es wird stickig und schwül, auf einem Steg überquere ich einen Bach, einige Pilgerinnen sitzen auf der Brücke, haben die Schuhe ausgezogen und kühlen die brennenden Füße. Bei einem Picknickplatz kreuze ich eine Straße, gehe über eine alte Steinbogenbrücke, die, mit Sträuchern bewachsen, kaum zu erkennen ist, erreiche wieder die Straße, überquere den Bach noch einmal, diesmal auf einer breiten, mit Stahlgeländern und Mauern gesicherten Brücke. Fünfhundert Meter dahinter führt ein Pfad bergauf zum Weiler Cinqpreyres, um dann endgültig in die wunderschöne mittelalterliche Stadt Saint-Côme-d´Olt hinabzuführen.

 

Ich gehe am Stadtpalais, dem heutigen Rathaus und der Église Saint-Côme-et-Saint-Damien vorbei, deren eigentümlich gedrehter Dachstuhl des Glockenturms auffällt.

 

Auf der Brücke über den Lot verlasse ich die Stadt, biege dahinter auf das Sträßchen D6 ab und folge ihm am Fluss entlang. Hinter einer Brücke zweigt der GR65 in die Berge ab, ich „übersehe” den Abzweig, beschummle den Reiseführer und laufe auf der Straße am Berghang über den Auen des Lot entlang, hinter denen das Hochland des Aubrac aufragt, durch das ich die letzten Tage gewandert bin.

 

Kurz vor Espalion zweigt ein Weg ab, eine Hinweistafel beschreibt die Variante des GR65, die ich gelaufen bin (na, also! Doch nicht geschummelt, sondern eine Variante gegangen), führt mich zu der alten romanischen Perserkirche. Dahinter gehe ich über ein Sportgelände, an einer Tennishalle vorbei zu einem Park am Ufer des Lot, erreiche beim Vieux Palais die Stadt, die ebenfalls wunderschön altertümlich ist, die neugotische Pfarrkirche von 1883 und viele Häuser sind aus rotem Sandstein gebaut. Über der Stadt thront auf einem Berg die Burgruine Calmont d´Olt.

 

 

53. Tag           20.06.2012      Espalion bis Golinhac                      27,5 km

 

Ich gehe die Hauptstraße zur alten Brücke über den Lot, biege aber vor dem Fluss ab und wandere am Flussufer auf einem Kiesweg nach Westen. Bald schon muss ich den Fluss verlassen, auf Asphaltstraßen durch ein Wohnviertel, dann die D556 entlanglaufen, bis ein Feldweg links abzweigt und ich durch eine Eichenallee die alte romanische Kirche Saint-Pierre-de-Bessuéjouls aus dem 11. Jahrhundert erreiche. In der Kirche, versteckt im Turm und nur über eine schmale Treppe zu erreichen, steht ein schöner karolingischen Altar.

 

Dann geht es hinauf nach Bessuéjouls, im Dorf biege ich ab und steige einen schmalen Pfad aus rotem Lehm, der nach den Regenfällen der letzten Nacht schmierig wie Seife ist, durch Kastanienwald steil hinauf zu einem kleinen Plateau, komme auf Teerstraßen durch Felder und Wiesen, verstreute Bauernhöfe, ein Schotterweg verlässt die Straße, dann ein schattiger Pfad zwischen Steinmäuerchen bergab zur unscheinbaren Burg von Beauregard. Vor mir liegt, hinter dem Friedhof, die Kirche von Trédou.

 

Ab jetzt geht es über Asphaltstraßen durch flaches Land, die Dörfer Les Camps und Verrières werden durchquert, hinter einer Bachbrücke erreiche ich die D100, tappe sie ein Stück entlang, gehe dann einen felsigen Pfad hinauf und wandere unter Kastanien und Eichen parallel zur Hauptstraße, bis sich kurz vor Estaing der Pfad wieder senkt und zur Straße zurückführt.

 

Auf der anderen Flussseite des Lot liegt die Stadt Estaing, die von einer mächtigen Burg aus dem 15. Jahrhundert überragt wird.

 

Ich gehe nicht über die steinerne Bogenbrücke in die Stadt hinein, sondern bleibe am linken Ufer des Lot, wandere eine kleine Straße am Fluss entlang, der sich langsam zu einem Stausee weitet. Bei La Rouquette, einem wuchtigen Bauernhof, biegt sie links ab, auf einer Brücke wird der Bach Luzane gekreuzt.

 

Hinter dem Bach geht es bis zu den Häusern von Montegut Bas steil hinauf, dahinter kürzen zwei felsige Pfade die Serpentinen ab, ich erreiche ein ausgedehntes Plateau, wandere weiter, immer auf Teerstraßen, der Weg senkt sich zu den Häusern von Le Mas, bleibt schattig am Rand der Ebene über den Schluchten des Lot. Nach 1500 m zweigt ein Weg in den Wald ab, an knorrigen alten Bäumen vorbei. Ich muss zweimal einen Bach auf Trittsteinen überqueren, komme durch Massip, gehe dahinter einen Berghang im Wald hinunter zu einer Teerstraße, die ich gleich wieder verlasse, um auf einem Wiesenpfad nach Golinhac, meinem heutigen Endpunkt, zu wandern.

 

In Golinhac hatte ich ein Zimmer in der Auberge La Bastide d´Olt reserviert, die Wirtin sagt mir, sie seien schon seit Wochen ausgebucht, weiß nichts von einer Reservierung. Nach kurzer Diskussion stellt sich heraus, das die Telefonnummer aus dem Reiseführer falsch ist, ich hatte auf dem Campingplatz angerufen. Dort bekomme ich einen Bungalow, zwei Zimmer für mich alleine, Abendessen dann in der Auberge, etwas enttäuschend ein Hühnerbein mit Kartoffelmus, Salat vorweg, als Nachtisch einen Bratapfel, das Kerngehäuse nicht entfernt, ohne Rosinen.

 

Golinhac ist die Mitte des Weges von München nach Santiago, 1360 km, zur Feier des Ereignisses genehmige ich mir eine halbe Flasche Wein, vom Gut Estaing aus der Region!


 

54. Tag           21.06.2012      Golinhac bis Conques                      22,5 km

 

Ich verlasse Golinhac auf Asphaltsträßchen, komme an die D42 und folge ihr durch eine Hügellandschaft an Wiesen und kleinen Wäldern vorbei. Vor mir tun sich tiefe, bewaldete Schluchten auf. Ich erreiche eine schmale Straße, die sich in weiten Serpentinen in eine der Schluchten hinabwindet, durchquere das Dörfchen Le Soulie. Ein Pfad zweigt ab, läuft ein paar hundert Meter neben der Straße auf einem Hügel entlang, senkt sich dann wieder zum Asphaltband.

 

Gleich dahinter geht es steil hinab ins Tal, durch Wald zu einem Bachlauf, der auf einer kleinen, verwunschen wirkenden Brücke gequert wird. Parallel zum Hang führt der Pfad, an mit blühenden Königskerzen bestandenen Wiesen nach Espeyrac hinein, ich komme zur Kirche, auf dem Platz davor stehen Picknickbänke, ich mache Pause.

 

Der Weg, gesäumt von schönen alten Häu-sern, führt durch das Dorf, überquert auf einer Steinbrücke einen Fluss. Hinter Espeyrac steigt ein Pfad steil an, kommt an der alten Mühle des Hofes Célis vorbei, trifft auf die D42. Die Hauptstraße verlasse ich so schnell wie möglich, gehe einen kiesigen Weg aufwärts bis ich hinter dem Friedhof Sénergues mit der Kirche Saint-Martin und den Resten der alten Burg erreiche.

 

Es geht weiter aufwärts, bei der Bushalte-stelle ein paar Treppenstufen, dann an einem Aussichtspunkt vorbei, der einen wirklich schönen Blick auf Sénergues bietet, dahinter schweißtreibend einen steilen Hügel hinauf in den Wald. Ich treffe auf Asphaltstraßen, folge ihnen, nur gelegentlich führen Pfade durch die Wiesen, ich komme wieder an die D42, biege ab nach Saint-Marcel, einem kleinen Dorf mit einer schönen, aus Bruchsteinen gemauerten Kirche. Hinter dem Dorf zweigt bei einer Transformatorenstation und einem seltsam verschachtelten Haus ein Weg ab, erst Kiesstraße, dann steiniger Hohlweg, dann steiniger Pfad und wieder steiniger Hohlweg. Knie und Fuß zerbrechend geht es steil abwärts, bis die ersten Häuser von Conques auftauchen, das sich bis zum Schluss in einer bewaldeten Schlucht versteckt hält.

 

Auf buckligen Kopfsteinstraßen durchquere ich die romantische Stadt, die man auch als die „Perle der Via Podiensis" bezeichnet, mit der kolossalen, hohen Kirche, den alten, verschachtelten Häusern. Die Rue Charlemagne bringt mich hinunter zur römischen Pilgerbrücke, zu meinem Hotel. Für weniger romantische ist Conques ein mittelalterlich hergerichtetes Dorf für Pilger- und andere Touristen, sehr kommerziell, mit Andenkenläden und Bars an jeder Straßenecke und einer viel zu großen Kirche darin.


 

55. Tag           22.06.2012      Conques bis Livinhac-le-Haut                    26,5 km

 

Ich verlasse Conques über die Pont des Roumieux aus dem Jahr 1410, dahinter geht es durch Wald sehr steil hinauf zur Chapelle-Sainte-Foy. Ich trete in die Fußabdrücke, die tausende von Pilgerschuhen in den Stein geschliffen haben, steige zwischen knorrigen alten Kastanienbäumen aufwärts. Von der Kapelle habe ich noch einmal einen schönen Rückblick auf Conques, dessen Dächer in der Morgensonne glänzen.

 

Es geht weiter aufwärts, ein verspäteter Kuckuck ruft, ein Reh springt kurz vor mir über den Weg, Glockenheide blüht blassviolet, ich erreiche die Hochebene, ein Wegweiser verzweigt den GR65 in eine nördliche und eine südliche Variante.

 

Ich nehme die südliche, die schöner und weniger anstrengend sein soll, wandere über Asphaltstraßen an Nohailac vorbei zur weithin sichtbaren Kapelle St-Roch. Ich mache Trinkpause, zwei ständig schwatzende französische Pilgerinnen kommen, warten exakt, bis ich mit meiner Pause fertig bin, um dann mit mir weiterzuwandern. Santiago sei Dank, machen sie bei jeder Blume, bei jeder Kuh eine Fotografierunterbrechung, so dass ich sie bald hinter mir lasse, ihr ewiges Geplapper die Ruhe nicht mehr stört.

 

Ich bleibe für eine Weile auf der Höhe, und immer wieder eröffnen sich weite Blicke, auch in das vor mir liegende Becken von Decazeville.

 

Decazeville, ehedem La Salle, war früher eine Industrie- und Bergbaustadt, von deren Geschichte immer noch einiges zu erkennen ist, zum Beispiel im aufgelassenen Tagebau La Découverte.

 

Ich tangiere die Stadt nur kurz, wandere gleich wieder bergauf. Durch Vorstädte mit Einfamilienhäusern, die einen großartigen Talblick haben, komme an dem Dorf St-Roch vorbei und steige auf einem Kiesweg durch Auwälder hinunter nach Livinhac-le-Haut. Vor der Brücke über den Lot, den ich hier wieder erreicht habe, weist ein Wegweiser zu meinem voraus gebuchten Hotel hin: 5 Minuten

 

Ich tappe die Straße entlang, 5 Minuten sind lange vorbei, neben mir strömt der Lot eilig talwärts, wird durch Wehre abgebremst. Bei einem Campingplatz frage ich, ob ich richtig sei. Man bestätigt mir den Weg, noch zwei Kilometer, dann bei der zweiten Brücke über den Lot, in Penchaut auf der rechten Flussseite. Es waren also 5 Autominuten gemeint, 4 km. Ich schlurfe die Straße entlang, nehme einen Nebenweg am Flussufer, um dem LKW-Verkehr zu entgehen, komme an die Brücke, kreuze den Fluss und finde mein Hotel.

 

Auf meine Beschwerde, dass das hier ja wohl nicht mehr Livinhac sei, sagt der Wirt, dass sie natürlich zu Livinhac gehören, auch wenn das Zentrum weit weg sei. Aber für Morgen gäbe es eine Abkürzung, direkt den Berg hinauf, ohne in das Dorfzentrum zurück zu müssen.

 

 

56. Tag           23.06.2012      Livinhac-le-Haut bis Figeac             26 km

 

Ich gehe die Straße am rechten Ufer des Lot ein paar 100 Meter stromauf in das Dorf Penchaut hinein, biege dann auf eine kleine Asphaltstraße ab, die in Serpentinen durch Wald aus dem Tal des Lot hinausführt. Ich gewinne Höhe, erreiche eine grasige Hügelkuppe, auf der braune Rinder weiden, überschreite sie und steige hinunter nach Montredon.

 

In dem Dorf mit der großen Kirche erreiche ich den markierten Jakobsweg wieder, wandere auf Straßen an blühenden Edelkastanienbäumen vorbei in das weite Tal hinein, an dessen gegenüberliegender Hügelseite die Kirche von Saint-Jean-Mirabel zu sehen ist.

 

Bei einem alten Bauernhaus biege ich auf einen Pfad ab, der in Guirande beim Friedhof auf eine kleine, unscheinbare Kapelle trifft, die aber im Inneren Wandmalereien aus dem 14. Jahrhundert birgt.

 

Gleich hinter Guirande verlasse ich die Straße wieder und gehe auf eichengesäumten Wegen durch Wiesen und Felder nach Le Terly, muss dort ein kurzes Stück Asphalt einen Hügel hinauflaufen und biege wieder auf Feld- und Wiesenwege ab, die schattig unter alten Bäumen zu einem kleinen See führen. Auf einem Damm geht es durch den See hindurch weiter auf Feldwegen, bis ich bei Saint-Félix wieder die Straße erreiche. Das Tympanon der Kirche in St-Félix, die der heiligen Radegonde geweiht ist, zeigt eine Darstellung von Adam, Eva und der Schlange im Paradies. In St-Félix biege ich auf kleine Pfade ab, die nach Saint-Jean-Mirabel führen. Ich erreiche eine Straße, gehe kurz zur Kirche hinüber, auf dem Weg dorthin kann ich rückblickend auf der anderen Talseite Montredon erkennen.

 

Von Saint-Jean muss ich zwei Kilometer auf einem Trampelpfad an der vielbefahrenen D2 entlang laufen, bis bei dem Haus Belair endlich ein Pfad abzweigt. Ich erreiche noch einmal kurz eine verkehrsreiche Asphaltstraße, gehe dann den Schotterweg am Fernseh-sendemast vorbei und laufe auf steinigen Wegen hinunter nach Figeac.

 

Hinter der Eisenbahnunterführung erreiche ich eine Brücke über den Fluss Célé, gehe in das Zentrum der schönen, mittelalterliche Stadt, die reich an gotischen Bürgerhäusern und Stadtpalästen ist.

 

 

57. Tag           24.06.2012      Figeac bis Cajarc                  32 km

 

Ich gehe über eine Brücke, komme auf die Südseite des Flusses La Célé und wandere auf einem steinigen Feldweg den Hügel Cingle hinauf. Vor mir eine Wandergruppe von vielleicht zwanzig Pilgern, Franzosen und Engländer. Sie brechen sich Wanderstäbe in den Büschen seitwärts des Weges ab, begutachten jede Blume am Wegesrand, hören aus ihren Mobiltelefonen Musik. Ich überhole einen nach dem anderen, habe bald die Gruppe hinter mir und verliere sie rasch aus den Augen.

 

Ich komme durch ein Industriegebiet, laufe auf Teerstraßen, die von Bäumen gesäumt sind, immer den weiß-roten Markierungen nach, bin bald in Wiesen und Kornfeldern, auf einem Hügel vor mir der Wasserturm von Faycelles.

 

An der Kirche vorbei gehe ich durch das romantische Dorf, ein bisschen Verwirrung im Zentrum, plötzlich sind alle weiteren Möglichkeiten mit einem Kreuz versehen, also falsch. Ich gehe zurück, finde den Abzweig auf einen kleinen Kiesweg, wandere ihn entlang, komme wieder auf die Hauptstraße, ein Picknickplatz lädt zur 10 km-Rast ein.

 

Es geht die Straße entlang bis Bédouer, am Dorfeingang biege ich links ab. Vor mir sehe ich seltsam braunrote Wälder, wie Heideflächen. Zwischen Steinmauern führt ein Pfad durch Buschland, ich komme in Eichenwald: mich erwartet ein unheimliches Erlebnis, die Lösung der braunen Flächen. Die Bäume sind kahlgefressen, kaum Laub an den Zweigen. Es rieseln angenagte Blätter herab, dicke schwarze Raupen sitzen zwischen den Blattresten und fressen, der Weg ist mit Raupenkot gesprenkelt, der Wald still, kein Vogelgesang, nur das leise Rascheln der fallenden Blätter. Am Boden gelegentlich Raupen, mit blauen und roten Warzen, umgeben von hellen Borsten und einem, im Vergleich zum Körper riesigen Kopf: Schwammspinner, die in Massen aufgetreten, Eichenwälder kahlfressen. Der Spuk dauert ein paar Kilometer, dann sind die Bäume wieder grün, auf einem breiten Kiesweg komme ich nach Gréalou, tangiere einige Wohnsiedlungen und gehe dann hinab zum Dorfplatz  mit der Kirche und einem Brunnen.

 

Der Weg ist eingerahmt von weißen Kalksteinmauern, ich passiere die hohe Mauer des Friedhofes, ein weiter Blick auf die Plateaus der Causses de Limogne, ein steinzeitliches Hünengrab, Dolmen genannt, dahinter ein steiniger Pfad abwärts

 

Bei einer Verzweigung entscheide ich mich für die neue Wegführung des GR65, steige einen Hügel hinauf, dann auf Feldwegen durch Wald an einem Fischteich vorbei, bis sich der Weg nach Cajarc senkt.

 

Ich gehe unter den Steilwänden der breiten Schlucht entlang, die der Lot gegraben hat und in der Cajarc liegt, komme an einer tiefen Grotte vorbei, erreiche die Stadt. Heute, am Sonntag, ist Trödelmarkt, überall Verkaufsstände mit Antiquitäten und Tand. Ich frage mich zu meinem Hotel durch.


 

58. Tag           25.06.2012      Cajarc bis Vaylats                36 km

 

Ich verlasse Cajarc auf dem Weg, auf dem ich gestern in die Stadt gekommen bin, treffe wieder auf den GR65, folge ihm an der Bahnlinie entlang und steige auf einem Felsenpfad hinauf zur Hauptstraße D19.

 

Die Straße führt an den Überresten der Chapelle de la Madeleine vorbei, biegt dann auf ein Nebensträßchen ab, geht an ein paar Häusern vorbei in landwirtschaftlich genutztes Gebiet, um vor Gaillac wieder auf die Straße zu treffen und auf der Straßenbrücke den Lot zu überqueren.

 

In Gaillac biege ich, ohne in die Stadt zu kommen, einen steilen Weg links ab, dort  empfängt mich der Causse de Limogne, ein Kalksteinplateau. Auf steinigen Wegen zwischen Steinmauern laufe ich lange durch niedrigen Eichenwald, immer leicht bergauf, bis ich an eine Asphaltstraße komme, Mas del Pech, eines der wenigen Dörfer auf dem Plateau, erreiche. Der Weg führt am Dorf vorbei zu einem Trinkwasserbrunnen, an dem eine große Gruppe Wanderer lagert. Vor mir, auf einem Hügel, liegt das Dorf Saint-Jean-de-Laur, ich steige den Weg ein paar Meter hinauf, sehe dann das rot-weiße X, das mir sagt, dass ich falsch bin, kehre um und gehe auf der Asphaltstraße weiter. Die Wander-gruppe ist vor mir aufgebrochen, ich suche mir ein passendes Steinmäuerchen, raste und lasse sie davonziehen.

 

Auf kleinen Straßen komme ich durch Mas-de-Borries, ein Dorf aus wenigen, altertümlich anmutenden Häusern, aus Bruchsteinen gemauert, wie fast alle Dörfer hier. Die Wandergruppe sitzt im Schatten einiger Bäume, macht Mittagspause.

 

Auf kleinen Teerstraßen und Wegen zwischen Steinmauern komme ich nach Limoge-en-Quercy, durchquere die wenig schöne Stadt und verlasse sie auf der D19 wieder, biege bald in den Wald ab und gehe auf den bekannten steinigen Wegen zwischen Steinmauern stetig ohne Abwechslung durch niedriges Eichengehölz. Ein Wegweiser zeigt zum Dolmen du Joncas, einem Steinzeithünengrab, das ich kurz besichtige, dann weiterlaufe.

 

Ich erreiche die drei Häuser von Ferrières-Bas, treffe kurz auf Asphaltstraße und gehe weiter auf Wegen zwischen Mauern. Eigentlich hätte ich bald den Abzweig nach Varaire im Dorf La Plane erreichen sollen, aber die Streckenangaben im Führer stimmen nicht. Nach 9 km statt 6 km bin ich endlich da, gehe weiter nach Bach, durchquere das Dorf und gehe auf der D19 nach Vaylats, den GR65 verlassend.

 

In Vaylats erreiche ich das Kloster der Filles de Jesús, in dem ich meine Übernachtung reserviert habe, muss, weil ich spät bin, ein wenig warten, bekomme dann ein kleines Zimmer für mich allein und ein Abendessen mit Salat, Hauptspeise, Käse und einem Eis zum Nachtisch, dazu Rotwein und Wasser, am nächsten Morgen Frühstück und das alles für 25 €!

 

 

59. Tag           26.06.2012      Vaylats bis Cahors               25,5 km

 

Im Kloster gibt es um 7-Uhr Frühstück, entsprechend stehe ich auf, bin daher auch früh auf dem Weg, verlasse Vaylats auf der D19, biege hinter einem Bauernhof rechts in den Wald ab und erreiche wieder den Wanderweg GR65, der dem Verlauf des römischen Cami Ferrat folgt, der Caylus mit Cahors verband und lange Zeit, auch nachrömisch, als wichtiger Handelsweg diente.

 

Im frühen Morgenlicht gehe ich durch Eichenwald und Wiesen, wieder zwischen Steinmauern, die das Land zerteilen. Wer hat sich die Mühe gemacht, diese unzähligen kilometerlangen Wälle aufzuschichten?

 

Über mauergesäumte Wege und kleine Asphaltstraßen erreiche ich Mas de Vers, von dort führt ein steiniger Pfad ins vor mir liegende Tal hinunter und erreicht eine Asphaltstraße, an der ich links abbiege, am alten Waschhaus von Fontaine d´Outriols vorbeikomme. Vor der Brücke über einen Bach biege ich ab auf die Straße nach Le Pech, folge dem trockenen Bachlauf, komme an einer alten Mühle vorbei und erreiche die Autobahn, die ich auf der D6 unterquere.

 

Vor mir läuft eine hagere Französin auf dem Weg, mit Hund und einem kleinen Wägelchen, auf dem sie ihr Gepäck mühsam die steinigen Wege hochtransportiert, eine große Jakobsmuschel auf dem Wagen.

 

Ich folge der D6, neben der Straße verläuft ein Pfad, der als GR65 ausgezeichnet ist und, nachdem er die Straße kurz berührt in den Wald abzweigt und an einem Fußballplatz und einem Kiosk vorbeiführt. Dahinter wird die Straße nach Flaujac-Poujols gekreuzt, es geht hinunter in ein Tal, der Weg verläuft parallel zur D22 durch Wiesen und Baumpflanzungen, dann aufwärts an einer kegelförmigen Schutzhütte vorbei und erreicht La Marchande.

 

Im Dorf zweigt ein unscheinbarer Pfad zwischen Mauern ab, überquert wieder einmal die D6 und erreicht ein schattenloses, sonnendurchglühtes Plateau mit mediterranem Be-wuchs: Pinien, Wacholder und Zypressen, Zikaden zetern im Gesträuch. Auf einer Kiesspur gehe ich auf den Mast des Fernsehsenders zu, erreiche eine Asphaltstraße, die zunächst schnurgerade steil abwärts auf das jetzt im Tal in einer Flussschleife des Lot vor mir liegende Cahors, dann in einigen Serpentinen zur „Pont Louis Philippe" hinunterführt.

 

Über die Brücke erreiche ich die Stadt, am gegenüberliegenden Brückenkopf ein Pilgerservice, die Damen darin lassen keinen Wanderer mit Rucksack aus, nötigen mich in ihr Kabäuschen, wollen mir unbedingt Wasser und Trockenfrüchte aufdrängen, geben mir einen Stadtplan von Cahors, sind etwas enttäuscht, da ich ihre Hilfe ignoriere.

 

Die Touristinformation am Mitterand-Platz reserviert mir ein Hotel. In Cahors muss ich einen Tag Pause machen, waschen und die Schuhe neu besohlen lassen. Ich nutze die Zeit, die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu besuchen: die „Pont Valentré“, die Kathedrale Saint-Étienne, die über zwei ungewöhnlich hohe Rundkuppeln und einen schönen, leider teilweise zerstörten gotischen Kreuzgang verfügt, die Burg und das Maison Henry IV. Ich bummle durch die engen Gassen der Altstadt, esse gut und genieße den vorzüglichen Wein der Region.